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Betont gelassen gab sich Todd Akin (hier mit seiner Frau Lulli) nach seinem umstrittenen Statement zu Vergewaltigung und Abtreibung. Für viele in der Grand Old Party ist er untragbar geworden.

Foto: AP/Wagner

Todd Akin denkt gar nicht daran, das Handtuch zu werfen. Während ihn praktisch das gesamte Establishment der Republikaner zum Verzicht auf seine Senatskandidatur drängt, sieht sich der Mann aus Missouri in der Rebellenrolle: als tapferer Recke im Kampf gegen das Abtreibungsrecht. "Da benutzt du einmal ein falsches Wort, sagst einmal einen falschen Satz, und schon wenden sich alle gegen dich", klagte der 65-Jährige im Gespräch mit einem gleichgesinnten Radiomoderator. Und was Mitt Romney angehe, so möge er sich doch bitte um seine eigene Kampagne kümmern.

Es brennt unter dem Dach der Republikaner, und das ausgerechnet vor dem Nominierungskonvent ab Montag in Tampa, Florida, wo Romney offiziell als Bewerber fürs Weiße Haus gekürt werden soll. Auf solchen Kongressen mag die Regie keine langen, kontroversen Debatten. Alles soll sich um den Spitzenmann drehen, harmonisch und patriotisch, mit blauen, weißen und roten Luftballons.

Schon vom Timing her hat Akin, einer der konservativsten Abgeordneten, seiner Partei einen Bärendienst erwiesen, so jedenfalls sieht es Romney. Geht es nach dem kühlen Pragmatiker aus dem liberalen Boston, sollen Abtreibung und Schwulenehe im Wahlkampf nur eine Randrolle spielen im Schatten der Wirtschaftspolitik. Nun droht ihm ein obskurer Nebendarsteller aus der tiefsten Provinz einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Schock und Spott

In einem TV-Interview hatte Akin von "legitimen" Vergewaltigungen gesprochen und hinzugefügt: "Wenn es sich um eine echte Vergewaltigung handelt, hat der weibliche Körper Möglichkeiten, die ganze Sache abzustellen."

Die unsinnigen Bemerkungen lösten Schock und Spott aus, wobei es Dr. Paul Blumenthal von der kalifornischen Stanford University wohl am treffendsten auf den Punkt brachte: Wenn es so einfach wäre mit dem Ich-will-nicht-schwanger-Werden, dann bräuchte man keine Verhütungsmittel.

Kolumnisten schreiben von einem "Gottesgeschenk für Barack Obama". Akin, das perfekte Feindbild, die perfekte Klammer, die das liberale Amerika vereint und mobilisiert.

Der frühere Ingenieur möchte Senator werden, und bis zu dem merkwürdigen Satz lag er gut im Rennen. Claire McCaskill, seine demokratische Rivalin, leidet unter einer Art Amtsinhaber-Malus: Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und bedrohlicher Haushaltsdefizite haben Herausforderer zurzeit oft die besseren Karten. Und im Kalkül der Grand Old Party soll ein republikanischer Sieg in Missouri dazu beitragen, die Mehrheit im US-Senat - derzeit 53:47 zugunsten der Demokraten - zu kippen. Umso energischer drängen die Parteigranden auf Ersatz für Akin.

Romney distanzierte sich mit dem kühlen Satz, Akin sollte einfach auf den Rat seiner Kollegen aus Missouri hören und aufgeben. Worauf sich der Bedrängte erst recht auf die Hinterbeine stellt. "Beim ersten Kanonendonner rennen alle sofort in Deckung", empört er sich.

In Wahrheit geht es nicht nur um eine verbale Entgleisung, sondern um alte Machtkämpfe in den Reihen der Republikaner, die grob skizziert drei Flügel vereinen: Wall Street, religiöse Aktivisten und Sicherheitspolitiker. Romney, eindeutig dem Wirtschaftsflügel zuzuordnen, fremdelt mit dem religiösen Milieu - und muss doch an Kompromissen basteln.

Für Tampa hat ein Vorbereitungskomitee auch die Forderungen energischer Abtreibungsgegner in die Leitlinien aufgenommen. Demnach soll der Parteikongress explizit darauf drängen, ein Abtreibungsverbot in der Verfassung zu verankern. Ein ungeborenes Kind, so der Entwurf, habe ein fundamentales Recht auf Leben. Von Ausnahmen, die Abtreibungen gestatten, etwa nach einer Vergewaltigung, ist in dem Text nicht die Rede. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 23.8.2012)