Oft sagt ein Bild mehr, als viele noch so gut gemeinte Worte es vermögen: Wenn beim Forum Alpbach zum Thema "Erwartungen - die Zukunft der Jugend" auf dem "Perspektiven"-Podium nur vier Männer in Ministerrang und gesetztem Alter von 51, 56, 60 und 63 Jahren aufgeboten werden, dann ist das sicher nicht die Perspektive, die junge Menschen sehen wollen. Es ist eine - wohl unbedachte - paternalistische Inszenierung, in der ältere, etablierte Herren den jungen Menschen in Warteposition ihre Zukunft erklären wollen. 

Das ist Katheder-Politik von gestern, die an den Jugendlichen vorbeizielt.

Wie sich überhaupt der Eindruck erhärtet, dass die Jugend in Österreich politisch eine ziemlich vernachlässigte Generation ist. Wenn man sich die großen, schwärenden Reformleerstellen anschaut, dann sind das Bereiche, die ganz grundsätzlich die Lebenschancen von jungen Menschen betreffen - und mit denen nicht gerade sehr pfleglich umgegangen wird. Im Gegenteil: in vielen Fällen schlicht ignorant.

Das beginnt bei den jahrelang verschleppten, nur mühsam in Gang zu bringenden Schulreformen, wo man, ideologisch verbohrt, wissentlich international lang erfolgreich Bewährtes nicht und nicht umsetzt. Wie viele Kinder sollen noch mit zehn Jahren in eine ihnen zugeteilte Schulform genötigt werden, die weniger über ihre potenzielle Zukunft aussagt als über ihre Vergangenheit im Sinne des sozioökonomischen Status ihrer Familie und deren kulturellen Kapitals, das da stark mit im Spiel ist?
Es ist Skandal und Gefahr zugleich, dass schon vier Pisa-Studien alarmieren, wonach in Österreich mehr als ein Viertel aller 15-/16-Jährigen nicht sinnerfassend lesen können, Teilanalphabeten sind - unter den jungen Männern sogar ein Drittel! Ein Drittel einer Generation, das quasi verlorengegeben wird, das dieselben Wünsche hat wie alle anderen auch, sie sich aber vermutlich nie erfüllen können wird, allerhöchstens schal abgespeist mit noch erreichbaren Konsumhappen.
Gesellschaftspolitische Tranquilizer, die die Abgehängten ruhigstellen.

So produziert man politisch auch eine große Gruppe an Hilflosen, Artikulationsunfähigen, Exkludierten, die in der Gesellschaft existieren, aber doch nicht dazugehören, geschweige denn sich selbstbewusst in demokratische Prozesse und Diskurse einbringen (können oder wollen).

Auch der Zustand, in dem die Universitäten - Rektoren, Studierende, Lehrende - quasi sich selbst und pseudorettenden Notfallparagrafen überlassen werden, ist nichts anderes als (partei)politisch organisierte Verantwortungslosigkeit und Vernachlässigung einer ganzen Generation, für die Bildung der verlässlichste Garant für eine gute Zukunft ist.
Die Reaktion dieser hängengelassenen Jungen ist innere Abwendung und äußere Anpassung - so lang wie möglich. Und dafür gibt es dann das Etikett "Generation Pragmatismus", aufgepickt von den Älteren und Alten.

Aber was heißt das? Nicht mehr, als dass sie versuchen, in ihrer Welt - sie ist in vielem freier als früher, aber auch unsicherer - klarzukommen: besser, den Kopf über Wasser zu halten statt unterzugehen. Ein kleines, überschaubares Glück für sich zu erkämpfen.

Entscheiden tun andere. Für sie. Gegen sie. Und die Revolution, nach der die Arrivierten so gern - zumindest rhetorisch - fragen? Muss warten. Selbst in die Politik gehen? Erst recht. Ein Anfängergeschäft, scheint's, das eher 80-jährige Milliardäre versuchen.(Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 24.8.2012)