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Die Islamisten setzten bei der Zerstörung des Schreins in Tripolis schweres Gerät ein.

Foto: Reuters/Zitouny

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Männer protestierten am Samstag in Tripolis gegen die Zerstörung des Schreines in Zliten.

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Zwei Tage davor war ihr Ziel ein heiliges Grab in Zliten. Die Zerstörungswut dürfte von höchsten politischen Stellen zumindest toleriert worden sein.

 

Tripolis/Kairo - Mit Bulldozern verwüsteten am Samstag ultrakonservative Salafisten einen Teil eines Mausoleums in Tripolis. Die Vandalenakte gegen die Gräber von verehrten Sufi-Heiligen in der al-Shaab-al-Dahman-Moschee nahe des Stadtzentrums fanden am helllichten Tag unter den Augen von Sicherheitskräften statt, die nicht einschritten. Im Gegenteil: Sie erweckten den Anschein, der Befehl käme aus dem Innenministerium, weil den Sufis vorgeworfen werde, sie betrieben an diesem Ort "schwarze Magie".

In einer Fernsehansprache verurteilte der neue Übergangspräsident Mohammed al-Magariaf die Verwüstungen scharf und kündigte an, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Solche Akte seien sowohl in der Sharia, dem islamischen Recht, als auch kulturell inakzeptabel.

"Ein Verbrechen"

Er bestätigte, dass zudem historisch wertvolle Dokumente und Manuskripte zerstört worden sind. Besonders bedauerlich und verdächtig sei, dass auch Mitglieder der Sicherheitskräfte und ehemalige Rebellen an diesen Aktionen beteiligt gewesen seien.

Diese bezeichnete der stellvertretende Regierungschef Mustafa Abushagar als Verbrechen. Über das Onlineportal Twitter ließ er wissen, dass er sowohl das Innenministerium als auch das Verteidigungsministerium aufgefordert habe zu intervenieren, aber sie seien ihren Aufgaben nicht nachgekommen. Erst nachdem der Schaden angerichtet war, haben Sicherheitskräfte damit begonnen, den Schutz auch von weltlichen Kunstwerken zu verstärken.

Der neu gewählte Nationalkongress hielt am Sonntag eine Dringlichkeitssitzung ab. Neben Premierminister Abdul Rahim al-Kib waren auch die betroffenen Minister und Sicherheitschefs vorgeladen.

Der Zerstörung des Sufi-Schreines in Tripolis ereignete sich nur 48 Stunden nach ähnlichen Vorfällen in Zliten, 160 Kilometer östlich von Tripolis. Dort fanden in der vergangenen Woche heftige Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen statt, in deren Verlauf sunnitische Extremisten Teile des historischen Schreines von Sidi Abdul-Salam al-Asmar al-Fitouri zerstörten.

Eine Kuppel des Mausoleums ist eingestürzt und ein Minarett von Raketen beschädigt worden. Der Schrein des Heiligen aus dem 16. Jahrhundert gehört zum islamischen Asmariya-Komplex, der auch eine Bibliothek mit alten Schriften enthält und das wichtigste Gebäude der Stadt ist.

Schon im März hatten hunderte Salafisten versucht, den Schrein zu verwüsten. Diesmal hätten die Radikalen die Tatsache ausgenützt, dass die Sicherheitskräfte abgelenkt waren, erklärte ein Abgeordneter der Stadt.

Gegen jeden Totenkult

Die erzkonservativen Salafisten vertreten eine strikte, puristische Auslegung des Islam. Sie lehnen jeden Totenkult ab. Die Verehrung der Gräber von geachteten muslimischen Persönlichkeiten ist für sie unislamisch. Sie lassen nur Huldigungen von Gott selbst zu. Die Sufis mit ihren verschiedenen Orden praktizieren dagegen einen mehr mystischen, volksnahen Islam mit vielen Ritualen und Gesängen. Seit dem Ausbruch der Revolution haben die Salafisten in Libyen dutzende Sufi-Schreine zerstört. Niemand konnte ihnen bisher Einhalt gebietet. (Astrid Frefel /DER STANDARD, 27.8.2012)