Salzburg/Wien - Der am Sonntag aus dem Salzburger Zoo Hellbrunn entkommene eineinhalb Jahre alte Luchskater Vivious war Montagnachmittag weiterhin abgängig. Der deutsche Wildtierexperte Henning Wiesner, der die Suche nach der verschwundenen Großkatze leitet, geht davon aus, dass sich das "verängstigte Tier" immer noch im undurchdringlichen Dickicht oberhalb des Zoogeländes befindet.

Wiesner und sein Team versuchen nun die Katze mit Futterködern in Kastenfallen zu locken. "Dies kann Tage dauern", sagt Wiesner im Standard-Gespräch. Luchse könnten auch zwei Wochen ohne Nahrung überleben. Für den jungen Luchs geht es übrigens um Leben und Tod. In freier Wildbahn hätte Vivious nämlich keine Chance. Wiesner: "Er würde den Autotod sterben."

Wiesner, der über Jahrzehnte den Münchener Zoo geleitet hatte, hat Montag bekanntgegeben, wie die Katze entkommen ist. Durch einen Sturm seien in der Nacht Äste auf die Stromdrähte am Zaun des Geheges gefallen und hätten diese geerdet. Der Luchs habe am fehlenden Surren erkannt, dass die Drähte stromlos waren. Er sei, ohne einen Stromschlag zu bekommen, über den Zaun geklettert.

Der Zooleitung und dem Personal wirft er schwere Versäumnisse vor. Die Überprüfung der Sicherungsanlagen müsste jeden Morgen, bevor die Tiere in ihre Gehege gelassen werden, erfolgen. Für die Bevölkerung hat Wiesner beruhigende Worte: Die Tiere seien harmlos und würden niemals Menschen oder Kinder anfallen. "Auch die Oma mit ihrem Dackel braucht sich nicht zu fürchten."

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art im Salzburger Zoo: Bereits zweimal sind in diesem Jahr Geparden aus ihrem Gehege entkommen, der zweite Ausbruch wurde von der Zooleitung erst Tage später der Polizei gemeldet. In beiden Fällen steht der Verdacht der Sabotage im Raum. Einmal fand man ein Loch im Wildzaun, einmal ein gelockertes Türschloss. Die Polizei ermittelt.

Drohungen gegen Direktorin

Im Juli wurde auch bekannt, dass es konkrete Drohungen eines gekündigten Exmitarbeiters gegen die Zoodirektorin Sabine Grebner gibt. Man habe Panikmache verhindern wollen, betonte im Juli die Sprecherin des Tiergartens, Christine Beck. Das Personal hat seither jedoch Pfefferspray in der Tasche.

Der Exmitarbeiter selbst habe zwar nie im Bereich der Wildkatzen gearbeitet, doch laut Aufsichtsratsvorsitzender Ingeborg Wachs bestreitet dieser die Drohungen nicht. Infolge des Ausbruchs wurde der Neubau der Gepardenanlage vorgezogen.

Kritik an der Zooleitung kommt von Bürgerlistengemeinderat Bernhard Carl. Als Aufsichtsratsmitglied der stadteigenen Zoogesellschaft verlangt er ein "wasserdichtes Sicherheitskonzept". Nach den Vorfällen mit den Geparden und nun dem Luchs sei "evident", dass ein solches Konzept fehle. (juh, neu, DER STANDARD, 28.8.2012)