Sofia Kantorovich untersucht magnetische Flüssigkeiten.

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Magnetische Flüssigkeiten waren die "erste Liebe" ihrer wissenschaftlichen Karriere, sagt Sofia Kantorovich. Das Projekt, mit dem sich die Russin für das Start-Programm 2012 des Wissenschaftsfonds FWF bewarb, war eine Gelegenheit, die Gefühle wieder zu vertiefen. Die Flüssigkeiten, die mit kleinen magnetischen Partikeln in der Größenordnung von zehn Nanometern versetzt sind, weisen besondere Eigenschaften auf und eröffnen vielfältige Anwendungsgebiete.

Unter Einfluss eines Magnetfelds können diese Flüssigkeiten ihre Viskosität verändern, als flexible Dichtungsmasse agieren oder unter Wasser einen vom umliegenden Druck unabhängigen Bereich abgrenzen, mit dessen Hilfe etwa Außenarbeiten an U-Booten leichter durchzuführen sind, erklärt die Russin. Auch in der Medizin gibt es vielfältige Anwendungen: als Kontrastmittel beim Röntgen, um 3D-Bilder von Tumoren anzufertigen; als Trägersubstanz, die Medikamente an bestimmte Orte im Körper bringt; oder als gezielte Waffe gegen Krebs, die bösartige Zellen von innen zerstören kann.

Kantorovich machte es sich zur Aufgabe, eine grundlegende Theorie zu erarbeiten, die verschiedene der sogenannten "dipolaren Systeme", zu denen die magnetischen Flüssigkeiten gehören, umschließt. Idee des Projekts war, dass alle Systeme, unabhängig von der Größe der magnetischen Bausteine, ähnliche Eigenschaften haben.

Das Start-Projekt sei ihr von einem Kollegen vorgeschlagen worden, als ihr Humboldt-Stipendium in Deutschland gerade auslief, sagt Kantorovich. Sie ist insofern eine Ausnahme unter den Preisträgern, weil sie zuvor weder in Österreich gelebt noch geforscht hat. Es in Angriff genommen zu haben, sei aber "wirklich gut für mich" gewesen, sagt sie.

Dass sie eine außergewöhnliche Wissenschafterin ist, bewies sie bereits in ihrem Herkunftsland Russland. Dort wurde ihr dreimal ein renommiertes Stipendium ("Grant of the President of the Russian Federation") zugesprochen. Als eine der ersten Frauen in Russland erhielt sie den L'Oreal Unesco Award für Frauen in der Wissenschaft. Dennoch hat die 1980 im heutigen Jekaterinburg geborene Forscherin einen differenzierten Blick auf die Bedingungen in ihrem Heimatland: "In Russland ist es bis heute nicht so einfach. Es gibt nicht so viel Geld für die Wissenschaft." Es gebe weniger Infrastruktur. Einen Rechencluster zu nutzen, sei dort etwa nicht so einfach wie in Westeuropa.

Kantorovich lehrt nach wie vor an der Ural-Universität in Jekaterinburg, wo sie selbst an der Fakultät für Mathematik und Mechanik studiert hatte. Daneben betreut sie auch Studenten in Europa, etwa in Frankfurt. Sie liebe ihre russischen Studenten allerdings mehr, sagt sie schmunzelnd. Jene in Frankfurt seien auch weniger gut gewesen. Warum das so sei, wisse sie selbst nicht. Im Moment forscht sie an der Sapienza-Universität in Rom und pendelt von da nach Jekaterinburg.

Kantorovich sagt von sich, dass sie "schon immer Physik studieren wollte". Auch ihr Vater ist Physiker. Die Mutter, eine Architektin, war zuerst dagegen und wollte, dass sei "etwas mit Fremdsprachen" macht. Ihr Studium absolvierte sie schnell, während des Masterstudiums in Mathematik war sie mit ihrer Doktorarbeit in Physik schon fast fertig und hielt daneben bereits Seminare. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 29.8.2012)