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Die Oberflächenbewohner der Antarktis machen Forschern keine Sorgen - was darunter lebt, könnte ökologisch aber noch ins Gewicht fallen.
Bristol - Die Umgebung könnte kaum lebensfeindlicher sein: Lichtlos, wahrscheinlich sauerstofffrei und überlagert von einem kilometer dicken Eispanzer. Dennoch dürften große Teile des antarktischen Untergrunds besiedelt sein. Von Archaebakterien.
Der Südpolkontinent ist nicht komplett gefroren. Bisherigen Studien nach herrschen unter der Hälfte der Eismassen Schmelzbedingungen. Es gibt dort flüssiges Wasser. Ursache ist vor allem geothermische Aktivität, aber zu einem Teil auch Reibungswärme, die bei der Bewegung von Eis über Fels entsteht, erklärt die Glaziologin Jemma Wadham von der University of Bristol dem STANDARD.
Mikrobielles Leben wurde bereits vor Jahren in dem von einer knapp 4000 Meter dicken Eisschicht bedeckten Wostok-See in Zentralantarktika entdeckt. Dass der Boden ebenfalls Mikroorganismen beherbergt, wiesen Forscher 2009 erstmalig nach. Die Präsenz solcher Mikroorganismen könnte weitreichende Folgen haben.
Das Eis am Südpol überdeckt riesige, bis zu 14 Kilometer tiefe Mulden im Felsgestein, die mit Sedimenten gefüllt sind. Die Ablagerungen sind wahrscheinlich marinen Ursprungs. Schließlich lagen große Teile Antarktikas unter dem Meeresspiegel. Es könnte sich auch um Erosionsprodukte handeln, vermischt mit Überresten der Vegetation, die den Kontinent einst bedeckte.
In beiden Fällen dürften die Sedimente viel organisches Material enthalten - ein Nährboden für Mikroorganismen. Unter Bedingungen wie Sauerstoffausschluss und der Abwesenheit von anderen oxidierenden chemischen Verbindungen wie Sulfaten ergreifen sogenannte methanogene Archaebakterien das Regime. Sie zersetzen organische Substanzen unter Freisetzung von CO2 und Methan.
Solche Prozesse treten etwa in Tiefseesedimenten auf. Dort bildet das Methan unter Einfluss des enormen Wasserdrucks und der niedrigen Temperaturen die bekannten Methanhydrat-Klumpen.
Archaebakterien-Aktivität konnte vor zwei Jahren auch im Untergrund von Gletschern nachgewiesen werden. Jetzt haben Wadham und Kollegen die mögliche Methanbildung unterhalb der Südpoleiskappe quantifiziert. Ihre Berechnungen, die im Fachblatt "Nature" erschienen, zeigen ein gewaltiges Potenzial.
Demnach könnten sich allein unter dem ostantarktischen Eisschild in den vergangenen 30 Millionen Jahren bis zu 728 Billionen Kubikmeter Methangas in Hydratform angesammelt haben. Geringere Mengen (20 Billionen Kubikmeter) dürften unter dem westantarktischen Eispanzer lagern. Dieser ist in der Vergangenheit mehrfach abgeschmolzen, zum letzten Mal vor etwa einer Million Jahren.
Die am Südpol vermuteten Methanmassen sind von einer ähnlichen Größenordnung wie die im arktischen Permafrost gespeicherten Mengen. Letztere stellen bereits heute eine ernste Gefahr für das Klima dar. Methan ist als Treibhausgas 21-mal wirksamer als CO2 und wird beim Schmelzen freigesetzt. "Noch kann niemand genau sagen, welche Rolle die antarktischen Methanreservoirs für das Weltklima spielen könnten", sagt Jemma Wadham. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, 30. 8. 2012)