Seit Jörg Haider und seine Buam in Kärnten an der Macht sind, wird ein unbarmherziger Vernichtungsfeldzug gegen Künstler geführt. Warum die rechten Recken solche Angst vor Schriftstellern, Malern und Musikern haben, erklären die Kärntner Sagen.

Wenn von Kärntner Künstlern die Rede ist, dann kommen meist jene ins Blickfeld, die das Land verlassen haben. Viele aber sind hier geblieben. Als Kulturarbeiter in Kärnten zu leben und zu arbeiten ist oft mühsam, frustrierend und manchmal auch existenzbedrohend. Hier wird ein langwieriger und zermürbender Kampf ausgetragen zwischen der FPK, oder wie sich die rechten Buam gerade nennen, und dem größeren Kärnten.

Germanisierungswahn geht heute noch um

Ich kämpfe diesen Kampf schon seit 20 Jahren. Als Autor, als Veranstalter und als Lehrender. Mit der Aufarbeitung der Sagen aus Kärnten und mit meiner Beschäftigung mit Brauchtum und Geschichte des Landes mache ich den Nazis und den Rechten ihre angebliche Tradition streitig.

Kärntner Sagen. Die Kärntner Sagen, immer wieder von Politikern und Heimatverbänden vereinnahmt, wurden erstmals 1914 von Georg Graber herausgegeben. 1944 erschien ein Band in der Schriftenreihe des deutschen Ahnenerbes. Ein Zitat von Heinrich Himmler verunzierte das Titelblatt.

Graber war ein ausgewiesener Deutschtümler, Mitglied der NSDAP und Mitbegründer der sogenannten "Kärntner Wissenschaft". Liest man seine Texte über Volkskultur, dann stammt in Kärnten alles von den Germanen ab. Das Ringen in den Nockbergen führt Graber sogar auf isländische Einwanderer zurück. Dieser Germanisierungswahn geht durchaus heute noch um.

Ich wende mich gegen Graber und seine Nachahmer, gegen eine Auseinandersetzung mit Tradition, die durch völlige Unkenntnis und Ignoranz der aktuellen wissenschaftlichen Debatte glänzt, gegen die angeblichen Traditionsbewahrer, die die Asche anbeten, statt das Feuer weiterzugeben.

Genau gelesen sehen die Sagen anders aus

Wer die Kärntner Sagen aufmerksam und ohne ideologische Scheuklappen liest, findet in ihnen vielleicht sogar die Lösung aktueller Probleme. Die Sagen unterstützen nämlich ganz und gar nicht den übersteigerten Männlichkeitswahn, diese wild gewordene Gier, die derzeit in Kärnten an der Macht ist. Die Kärntner Sagen werden von den Saligen Frauen und der Guten Frau Percht beherrscht.

Dabei zeigt sich eine Moral, die so gar nicht zu den Rechten, zu den Nazis und Deutschtümlern passt. Die lauten Rabauken, die Gierigen und Brutalen werden bestraft. Denen dreht die Gute Frau Percht das Gesicht in den Nacken. Die leisen Menschen, jene, die auf ihre innere Stimme hören und den Anweisungen der Feen folgen, werden belohnt. So könnte man es verkürzt formulieren. Kärnten blüht. Die Kärntner Realität widerspricht dem Befund der Sagen, könnte man meinen.

Künstlerland Kärnten

Aber der erste Eindruck täuscht. Wenn man auf die Saligen Frauen hört, dann schaut man genauer hin, dann kümmert man sich nicht um Politiker, die von einem Nudelfest über das Beach Volleyball Grand Slam zum nächsten Speckevent hetzen und bei jedem Sauschwanzaufheben dabei sind. Wenn man dieses Geschrei einmal ausblendet, kommt ein anderes Kärnten zum Vorschein. Das Kärnten, für das nicht Jörg Haider und seine Konsorten als Schutzpatrone stehen, sondern Christine Lavant, Ingeborg Bachmann und Maja Haderlap.

Dieses Kärnten hat sich nie vereinnahmen lassen. Von der Künstlerstadt Gmünd über die freien Theatergruppen und die vielen Schriftsteller, Maler und Musiker bis hin zur Kulturintiative Bleiburg lassen sich die Kulturarbeiter nicht korrumpieren und prägen dieses Land stärker, als es daher- bzw. davongelaufene Politiker jemals könnten.

Seit über 20 Jahren bemüht man sich in Gmünd, bildende Kunst, Literatur und Theater in den Alltag zu verweben. Und Bleiburg, am anderen Ende Kärntens sozusagen, ist der lebende Albtraum freiheitlicher Kulturpolitik. Von der Svaveja Uta am Wiesenmarkt über die Kulturinitiative bis hin zum Center for Choreography Bleiburg gehen hier sogenannte Volkskultur und sogenannte Hochkultur Hand in Hand. Kärnten ist also durchaus ein guter Boden für Intellektuelle, für Künstler und die Entwicklung einer solidarischen und selbstkritischen Gesellschaft.

Vor diesem Kärnten haben die Buam große Angst. Deshalb auch das unablässige Geschrei und der seit Jahrzehnten geführte Kampf gegen Künstler und Kulturarbeiter in Kärnten. Gestrichene Subventionen, persönliche Angriffe und Hetzkampagnen haben zwar einige in die Knie gezwungen und aus dem Land getrieben, aber die Erfolge der rechten Buam nehmen sich mager aus neben dem dennoch blühenden Kulturleben in Kärnten. Man kann nicht alle Leute kaufen und nicht alle lassen sich einschüchtern. Deshalb werden die Buam diesen Kampf verlieren. (Leserkommentar, Wilhelm Kuehs, derStandard.at, 30.8.2012)