Artikel aus der Kronen Zeitung vom 30. August 2012, S. 18.

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Asylwerber bis 18 Jahre dürfen seit Juni dieses Jahres laut einem Erlass des Sozialministeriums eine Lehre absolvieren. Die Regelung steht unter dem sogenannten Ersatzkräftevorbehalt, gilt also nur dann, wenn keine sonstige Arbeitskraft vermittelt werden kann.

Dass junge Asylwerber damit in Zukunft "zusätzliche Konkurrenz um Lehrstellen" werden, ist blanker Unsinn, hindert aber den FPÖ-Blog unzensuriert.at nicht daran, in dieser Neuerung einen Skandal zu vermuten, den die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein mit einer parlamentarischen Anfrage "aufgedeckt" haben soll.

In Wahrheit sind die Voraussetzungen, die ein Asylwerber erfüllen muss, sehr eng gefasst und machen ihn mitnichten zum Konkurrenten anderer Lehrstellensuchender: Er muss sich zunächst einen Arbeitgeber suchen, der auch eine Lehrstelle für ihn zur Verfügung hat und für ihn eine Beschäftigungsbewilligung beantragt. Erteilt wird diese für alle Berufe, in denen ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht und wenn für die entsprechende Lehrstelle keine bevorzugte Ersatzarbeitskraft – also etwa ein österreichischer oder EU-Staatsbürger – zur Verfügung steht. Schließlich muss auch noch der Regionalbeirat des Arbeitsmarktservice (AMS) zustimmen. Zusätzlich muss der minderjährige Asylwerber neben einem Schulabschluss natürlich auch Sprachkenntnissen vorweisen. Das alles verschweigt unzensuriert.at.

Strenge Voraussetzungen

Mit etwas Verspätung bekommt der Unmut der FPÖ und der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein auch ein paar Zeilen in der "Kronen Zeitung", allerdings unter unerwarteten Vorzeichen: Wetterte das Boulevardblatt früher mit Genuss gegen "die Ausländer", konstruiert es jetzt eine neue, anscheinend schützenswerte Gruppe. "Kein Ausbildungsplatz für Türken, Serben und Kroaten?" lautet die Schlagzeile am 30. August. Diese Jugendlichen würden jetzt das Nachsehen haben, heißt es, denn der potenzielle Ausbildner müsse dank der Neuerung des Sozialminsters lehrstellensuchende Asylwerber bevorzugen. Es wird suggeriert, dass migrantische, in Österreich lebende Jugendliche gegenüber jungen Asylwerbern benachteilig werden. Wahr ist aber, dass Asylwerber lediglich gegenüber minderjährigen Neuzuwanderern den Vorzug bekommen.

"Das betrifft nicht bereits in Österreich lebende Jugendliche, die Zugang zum Arbeitsmarkt haben", betont der Sprecher von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Norbert Schnurrer, gegenüber derStandard.at. Schnurrers Aussage "Asylwerber sind schon im Land und erhalten deshalb den Vorzug gegenüber neuen Zuwandern" findet sich am Ende der "Krone"-Geschichte und steht in Widerspruch zur suggerierten Aussage des Artikels, wonach ein Erlass des Sozialministeriums junge Asylwerber zu Konkurrenten der bereits hier lebenden MigrantInnen macht.

Das volle Boot

Der "Krone" ist die angeblich gefährdete Integration der Türken, Serben und Kroaten neuerdings ein Anliegen geworden. Die beliebte "Das Boot ist voll"-Argumentation passt sich allem Anschnein nach langsam der veränderten Zusammensetzung der "Krone"-Leserschaft an. Die Kategorien "wir" und "andere" werden ummodelliert. "Die Ausländer, die uns etwas wegnehmen wollen", sind nun auschließlich die Asylwerber – sie sind wohl "ausländischer" als die vormaligen Ausländer. (Olivera Stajić, daStandard.at, 30.8.2012)