Normalerweise haben der Präsident und der Premier das beste Einvernehmen. Und das nicht nur, weil sie beide aus dem sozialdemokratischen Lager kommen. Nun wurde die kroatische Harmonie zwischen Ivo Josipovic und Zoran Milanovic erstmals gestört. Denn Regierungschef Milanovic nahm den Serbenvertreter Milorad Pupovac in Schutz, mit dem sich Josipovic seit einigen Wochen öffentlich streitet.

Pupovac hatte anlässlich des Jahrestags der Operation "Sturm" ("Oluja" auf Kroatisch), Anfang August, bei der die Krajina 1995 zurückerobert wurde und zehntausende Serben fliehen mussten, kritisiert, dass es noch immer Diskriminierung gegen Serben gebe, und die Art der Erinnerung an Oluja infrage gestellt. Dem Standard sagte Pupovac damals: "Sie feiern den Sieg, aber nicht den Frieden." Josipovic warf Pupovac vor, mit seinen Aussagen, die "europäische Zukunft Kroatiens zu gefährden", "Ethnobusiness" zu betreiben und eher seine eigenen Interessen zu vertreten als jene der kroatischen Serben.

Pupovac vermutete wiederum, dass Josipovic ihn bloß kritisiere, weil er nicht zu den Oluja-Feiern nach Knin gefahren war. Nun griff der Premier ein und verteidigte Pupovac, der sich als Serbe bereits 1991 zum kroatischen Staat bekannt hatte. Pupovac habe einen "makellosen Ruf", so Milanovic.

Die Reaktion des Präsidenten auf die Kritik im eigenen Land zeigt die Stimmungslage: Man hat das Gefühl, ohnehin musterschülerhaft alles für den EU-Beitritt getan zu haben, auch was die Minderheiten betrifft. "Von Kroatien wurde viel mehr gefordert als von Bulgarien und Rumänien. Das Land hat einen Regimewechsel hinter sich, es wurden Nationalhelden an das Haager Tribunal ausgeliefert, die Korruption-Gesetzgebung wurde angepasst, und Kroatien hat den Grenzstreit mit Slowenien regeln müssen", zählt der Politikwissenschafter Hrvoje Pajic die Errungenschaften auf. Die EU habe mit Kroatien ein Exempel statuieren wollen, um anderen Westbalkanstaaten zu zeigen, wo die Latte liegt. "Nach dem Motto: Schaut her, mit uns gibt es keinen Spaß", so Pajic.

Nüchtern gegenüber EU

Dies habe zu Pragmatismus geführt. "Es gab noch vor einiger Zeit hier eine Art "European Dream", erzählt Pajic. "Doch nun hat man realisiert, dass es auch in Europa Demokratiedefizite und starke soziale Ungerechtigkeiten gibt und dass die Wirtschaft nicht so super läuft." Pajic rechnet zudem damit, dass es nach dem Beitritt im Juli 2013 zu einer Einschränkung von kroatischen Arbeitskräften auf dem EU-Markt kommen wird. Auch das bringt Ernüchterung. "Bei der Beitrittskampagne hieß es noch, dass die Kroaten nun leichter Arbeit im EU-Ausland finden." (Adelheid Wölfl aus Zagreb /DER STANDARD, 31.8.2012)