Wien - Das Beihilfeverfahren, das die EU-Kommission mit 13. Juni gegen die AMA-Marketing eingeleitet hat, hat alle Ingredienzien, die für die heimischen Landwirte wichtige Institution in den Grundlagen zu erschüttern. "Das AMA-Gütesiegelsystem hat keine rechtliche Deckung", summiert der Rechtsanwalt Josef Hofer von der Kanzlei Hofer Humer in Wels.
Auf Initiative seines Klienten, des steirischen Schlachtbetriebs Scheucher, wurde in den vergangenen Jahren zweimal gegen das System geklagt, insbesondere, dass die AMA-Marketing quasi mit Zwangsbeiträgen, die von allen Bauern, Schlachthöfen und lebensmittelverarbeitenden Betrieben eingehoben werden, für das AMA-Gütesiegel und das AMA-Biozeichen wirbt. Zweimal wurde der klagenden Partei recht gegeben. Als Conclusio dieses langen Rechtsstreits hat nun die EU-Kommission, und zwar die Generaldirektion Landwirtschaft, eine Überprüfung des österreichischen staatlichen Beihilfeverfahrens rund um die AMA-Marketing eröffnet. Ein umfangreicher Fragenkatalog wurde an die AMA-Marketing gesandt, der bis 19. September zu beantworten ist.
Bei der Agrarmarkt Austria (AMA) und dem dahinterstehenden Landwirtschaftsministerium gibt man sich betont gelassen. Die AMA-Marketing habe in all den Jahren immer rechtskonform gearbeitet und die Werbemaßnahmen, die durchgeführt wurden, vorher korrekt an die Brüsseler Behörden gemeldet.
Allerdings, meinen Beobachter, erinnere die Sache an den Fall der deutschen Agrar-Werbegesellschaft CMA. Diese Organisation, die sich so wie die AMA-Marketing aus Pflichtbeiträgen finanzierte, musste 2009 liquidiert werden. Der Auflösung gingen umfangreiche Gerichtscausen voran. Lebensmittelbetriebe hatten kritisiert, dass die Zwangsabgabe an den Absatzfonds der Landwirtschaft verfassungwidrig ist; das Karlsruher Verfassungsgericht hatte dem recht gegeben.
Staatliche Beihilfe
Auch bei der AMA-Marketing zogen sich die Gerichtsverfahren endlos dahin. Programme wie das AMA-Gütesiegel oder auch das AMA-Biosiegel, das auf Produkte wie Fleisch, Milch oder Eier angewendet wird, wenn diese gewissen Qualitäts- und Aufzuchtskriterien entsprechen, sind bei der EU-Kommission zu genehmigen. Diese überprüft etwa, ob eine Marketingmaßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt und ob einzelne Unternehmen besonders begünstigt wurden. Bei den von den Bauern und Firmen geleisteten Abgaben an die AMA handelt es sich um sogenannte " parafiskalische Abgaben", also um Steuergeld. Deshalb ist laut Kommission so zu prüfen, wie wenn eine staatliche Beihilfe gewährt worden wäre.
Von allem Anfang an gab es Unstimmigkeiten zu den AMA-Marketingprogrammen, erzählen Beobachter: Viele Hersteller/Bauern konnten sich für die allgemeine Produktwerbung, im Fachjargon generische Werbung genannt, nicht erwärmen, da für sie der eigene Nutzen nicht offensichtlich war. Insbesondere der Zwang, dadurch an einem, wie die AMA meint, qualitätssteigernden Programm teilzunehmen, wurde nicht automatisch goutiert. Und besonders natürlich wehrten sich die Betriebe, die bei den Gütesiegelprogrammen nicht mitmachen.
Bei der AMA-Marketing, die über die Abgaben jährlich rund 13 Millionen Euro für Werbemaßnahmen zur Verfügung hat, sieht man die Vorwürfe naturgemäß nicht so. Alle profitierten von Programmen wie der lückenlosen Rückverfolgbarkeit, etwa bei Rindfleisch. Auch die Exporterfolge bei heimischen Lebensmitteln gingen zu einem großen Teil auf das Konto der AMA-Marketing. Allerdings, erläutert der Wiener Steuerberater Gottfried Schellmann, werden in Brüssel besonders Exportprogramme gern als Beihilfe gesehen. Aus der EU-Agrarförderungen, und zwar den Marktordnungszahlungen, erhielt die Agrarmarkt Austria außerdem 2011 noch gut 2,3 Millionen Euro. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 31.8.2012)