Jerusalem/Wien - Die israelische Regierung ist in der Frage eines Angriffs auf den Iran gespalten. Von den 14 Kabinettsmitgliedern seien sechs dafür, sechs dagegen und von zwei sei die Position nicht bekannt, berichtete die Zeitung "Haaretz" am Donnerstag in ihrer Online-Ausgabe. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Ehud Barak würden sich nun bemühen, im Sicherheitskabinett eine Mehrheit für einen Angriff zustande zu bringen.

Der mit einer "Titanic"-Karikatur illustrierte Artikel unter dem Titel "In Richtung eines Eisbergs namens Iran" schreibt der "Haaretz"-Kommentator Yossi Venter, Netanyahu versuche in Einzelgesprächen seine Minister zu überzeugen. Zu den Befürwortern eines Angriffs zählen neben Netanyahu und Barak Außenminister Avigdor Lieberman und Finanzminister Yuval Steinitz. Als Gegner gelten etwa Geheimdienstminister Dan Meridor und der Minister für strategische Angelegenheiten, Moshe Yaalon.

Bei den Diskussionen über den Sinn eines Angriffs auf den Iran, durch dessen Atomprogramm Netanyahu die Existenz Israels bedroht sieht, werde auch über die Möglichkeit eines Fehlschlags nachgedacht. Auch darüber, dass selbst eine erfolgreiche Attacke die Entwicklung einer iranischen Atombombe höchstens um 18 Monate verzögern könne.

Darüber hinaus sei ein Szenario abzusehen, dass in etwa so aussehe, schreibt Venter: "Die USA sind wütend. Der Ölpreis steigt rapide. Tausende Raketen fallen auf Tel Aviv, Haifa, (die Atomanlage) Dimona und andere israelische Städte. Die Wirtschaft bricht zusammen. Hunderte werden getötet, tausende verletzt. Eine Massenflucht von Israelis ins Ausland. Zeltstädte. In diesem Szenario, sagte ein führender Politiker der Regierungspartei, würde Netanyahu sicher die nächsten Wahlen verlieren."

Netanyahu sei sich dieses politischen Szenarios bewusst, berichtet der "Haaretz"-Autor unter Berufung auf seine Quelle, die betonte: "Er ist nicht dumm, er sieht das ganze Bild und alle Details." Das werde ihn aber nicht abhalten, in Sachen Iran zu handeln. "Er glaubt, dass dies der Sinn seines Lebens ist, warum er zum Premier gewählt wurde - und nicht um Balkon-Regulierungen zu reformieren oder Gratiserziehung für Dreijährige zu garantieren", so die Quelle.

"Größte Gefahr für den Weltfrieden"

Netanyahu will den Iran vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen als "größte Gefahr für den Weltfrieden" brandmarken. Sein Büro teilte am Donnerstag mit, Netanyahu wolle Ende September eine entsprechende Rede halten. Netanyahu reist am 27. September nach New York und will am 30. September nach Israel zurückkehren.

Nach einem Bericht der "Times of Israel" will Netanyahu sich auch mit US-Präsident Barack Obama treffen. Dabei solle es um weitere Bemühungen gehen, Teheran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Israel hat dem Iran mit einem Angriff auf dessen Atomanlagen gedroht.

Israel sieht ein nuklear aufgerüstetes Regime in Teheran als existenzielle Bedrohung. Der Iran beteuert, mit seinem Atomprogramm nur friedliche Ziele zu verfolgen, droht Israel jedoch gleichzeitig immer wieder mit Auslöschung.

Netanyahu verurteilte die Blockfreien-Konferenz im Iran und sagte: "In Teheran haben heute Repräsentanten von 120 Ländern eine Blutanklage gegen Israel gehört und geschwiegen. Dieses Schweigen muss beendet werden." Er wolle der Weltöffentlichkeit daher bei seiner Ansprache in New York "mit einer klaren Stimme die Wahrheit über das iranische Terrorregime sagen, das die größte Gefahr für den Weltfrieden darstellt". (APA, 30.8.2012)