Frankfurt - Zehntausende gestrandete Passagiere, endlose Schlangen vor den Check-in-Schaltern, ein vollgeparktes Rollfeld - die Flugbegleiter haben bereits am ersten Streiktag die Lufthansa und den Frankfurter Flughafen ins Chaos gestürzt. 26.000 Passagiere mussten am Boden bleiben, 190 Flüge fielen ab 5 Uhr morgens aus, wie ein Lufthansa-Sprecher am Freitag sagte. Vor allem Verbindungen innerhalb Deutschlands und Europas seien betroffen gewesen. Die Lufthansa war offensichtlich von der Wucht des achtstündigen Streiks überrascht - zunächst hatte die Airline lediglich 64 Flugausfälle einkalkuliert.

Hart getroffen hat die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO mit dem Ausstand auch den Flugverkehr insgesamt. Der größte Flughafen Deutschlands musste teilweise schließen - wegen des Streiks. Die Parkpositionen für Jets seien knapp geworden - vorübergehend durfte in ganz Europa kein Flugzeug mehr Richtung Frankfurt starten, bestätigte ein Flughafen-Sprecher.

Weitere Streiks drohen

Weitere Streiks drohen schon am Wochenende. Denn die seit gut einem Jahr währenden und überaus zähen Tarifgespräche sind festgefahren - neue Verhandlungen sind nicht in Sicht. Nicht einmal über die Zahl der Flugbegleiter bei der Lufthansa sind sich die Streithähne einig: Die Lufthansa spricht von 18.000 - UFO von gut 19.000.

Ein Ende des Streiks ist nicht in Sicht. Beide Seiten sprechen derzeit nicht einmal miteinander. Ufo gibt sich nach dem unerwartet deutlichen Erfolg des ersten Tages kampfeslustig. "Wir sind auf einen sehr langen Arbeitskampf eingerichtet", sagte Ufo-Chef Nicoley Baublies zu Reuters. Die Streiks sollten in den nächsten Wochen noch verschärft werden. Wenn die Lufthansa nicht einlenke, könne der Ausstand auch bis zum Herbst oder Winter dauern.

Am Freitag stoppte der Flughafenbetreiber Fraport vorübergehend den Start aller Maschinen aus Europa mit Ziel Frankfurt. Damit wirkte sich der Arbeitskampf des Bordpersonals kurz vor dem Wochenende auf Flughäfen auf dem ganzen Kontinent und auch auf andere Airlines aus - und er stürzte Deutschlands größten Flughafen ins Chaos.

Ein UFO-Sprecher sagte: "Das war ein Riesenerfolg, auch wenn es uns für die Passagiere und die Kollegen am Boden leidtut. Aber das muss jetzt sein." Die Lage an den deutschen Flughäfen dürfte sich nur vorübergehend entspannen. "Es werden sehr bald weitere Streikmaßnahmen stattfinden. Und zwar so lange, bis die Lufthansa sich eines Besseren besinnt", sagte der UFO-Sprecher.

Chaos in Frankfurt

Während die Auswirkungen am Freitag in München, Düsseldorf und Berlin-Tegel weitgehend überschaubar blieben, strandeten Zehntausende am größten deutsche Airport. Die Lufthansa meldete rund 190 Stornierungen - das ist mehr als jeder zweite der 360 Lufthansa-Flüge, die im Streikzeitraum von 05.00 bis 13.00 Uhr auf dem Flugplan in Frankfurt standen. Auf diese Maschinen von und nach Frankfurt waren 26 000 Passagiere gebucht. "Wir hoffen, dass es am Wochenende ruhig bleibt, aber wir haben noch keine Signale von der UFO bekommen", sagte ein Lufthansa-Sprecher.

Die Gewerkschaft hatte angekündigt, zunächst nur an einzelnen Standorten in Deutschland zu streiken, die wegen der Vernetzung des Flugverkehrs schnell andernorts Auswirkungen haben könnten. Die Hoffnung: Lufthansa soll ein verbessertes Angebot vorlegen. Anderenfalls will Gewerkschaftschef Nicoley Baublies eine härtere Gangart einlegen: "Sollte das nicht passieren, haben wir auch flächendeckende und dauerhafte Streiks in der Schublade."

Die Lufthansa räumte am Freitag ein: "Ein Großteil der Kurz- und Mittelstreckenflüge fielen aus, vereinzelt auch Langstreckenflüge." Bei den Interkontinentalflügen habe man vor allem Strecken in die USA storniert, weil die Lufthansa dort täglich eine ganze Reihe an Verbindungen habe und die Kunden deshalb leichter umbuchen können. Schon am Vormittag hatte ein UFO-Sprecher gemeint: "Hier am Flughafen herrscht Chaos. Sie wissen nicht mehr, wohin mit den Fliegern. Im Moment fallen alle Flüge aus."

Lufthansa will verhandeln

Die Lufthansa forderte die Gewerkschaft angesichts des Streiks auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das von der Airline vorgelegte Angebot sei dafür eine ausreichende Grundlage, sagte Lufthansa-Sprecher Klaus Walther am Frankfurter Flughafen. Im Sender n-tv sagte Walther: "Wir haben Top-Flugbegleiter, die sind besser als die Flugbegleiter anderer Airlines, deshalb verdienen sie auch mehr." Die Lufthansa AG habe 3,5 Prozent mehr Gehalt und den Verzicht auf Leiharbeit und betriebsbedingte Kündigungen angeboten: "Wir denken, das ist eine gute Basis, zu verhandeln."

Ohnehin hat das Unternehmen für die Forderungen der Gewerkschaft wenig Verständnis: "Die Lufthansa ist kein Unternehmen, das so bombig dasteht", erklärte ein Sprecher. Passage-Vorstand Peter Gerber betonte am Freitag in der Mitarbeiterzeitschrift "Lufthanseat": "Angesichts der schwierigen Wettbewerbslage brauchen wir einen Beitrag von allen Beschäftigen."

Die Sparpläne der Konzernspitze bringen die Stewardessen und Stewards auf die Palme. Etwa 300 von ihnen versammelten sich vor einem Tor des weitläufigen Flughafengeländes, beinahe alle in gelbe Streik-Leibchen gewandt. "Wir haben einen unheimlichen Zusammenhalt, wir lieben diesen Job", sagte eine Flugbegleiterin, die ihren Namen nicht nennen wollte. Das derzeitige Management der Kranich-Airline zerstöre aber mit seinem Spardiktat die gewachsene Kultur. Der Job sei mit einem Einstiegsgehalt von etwa 22.000 Euro im Jahr alles andere als gut bezahlt - erst nach vielen Dienstjahren erreiche der Lohn ein vernünftiges Niveau. Gerade diese Steigerungsmöglichkeiten wolle die Lufthansa nun kippen, sagte sie.  (APA, 31.8.2012)