
Die "braven" Mieter sollen schneller eine neue Wohnung finden, vor "bösen" Mietern sollen Vermieter künftig gewarnt werden - so das Konzept der neuen Website.
Erst seit wenigen Tagen ist sie im Netz, und schon sorgt sie für helle Aufregung in heimischen Mieterschutzorganisationen: Die Website mietnomadencheck.at, betrieben von den beiden Grazern Alexander Erhart und Michael Pucher, verspricht auf der Startseite, eine "Win-Win-Situation zwischen Mieter und Vermieter" zu schaffen: Vermieter können hier - nach kostenloser Anmeldung - ihre "pflegeleichten" Mieter mit Namen und Adresse eintragen; ebenso aber freilich auch jene Mieter, die sich als "vorsätzliche Mietbetrüger" herausgestellt haben. Diese "Bösen" sollen auf der Plattform angeprangert werden, "um andere Vermieter vor eventuellen Schäden bewahren zu können", schreiben die Betreiber.
"Vernaderung hoch drei"
Von einer "Vernaderung hoch drei" spricht allerdings Mietervereinigungs-Präsident Georg Niedermühlbichler. "Wer garantiert, dass hier nur Leute eingetragen werden, die beispielsweise ein Jahr lang ihre Miete nicht bezahlen?", macht er auf mögliche gravierende Probleme aufmerksam. Denn wenn auf der Website auch solche Mieter eingetragen werden, die zwar pünktliche Zahler sind, aber für den Vermieter dennoch unangenehm in Erscheinung treten, weil sie etwa beharrlich Missstände in Haus oder Wohnung bekämpfen, dann wäre das für ihn schlicht "Wahnsinn" - im denkbar negativsten Sinn freilich.
Erhart und Pucher, von Beruf geprüfter Systemadministrator bzw. Jurist, kehren in ihrer (schriftlich übermittelten) Antwort gegenüber derStandard.at lieber die Vorzüge ihrer Plattform hervor: "Einem Vermieter entsteht ein erheblicher Vorteil, wenn er aus dem Vorleben der abgefragten Person ersieht, dass diese die Aufgaben eines Mieters immer einwandfrei erfüllt hat und man sein Mietobjekt mit ruhigem Gewissen an den zukünftigen Mieter übergeben kann." Jedem Vermieter werde die Entscheidung erleichtert, "wenn er seinen potenziellen Mieter mit einer positiven Bewertung findet". Deshalb sollte auch auf Seiten eines Mieters "ein solches Interesse an positiven Eintragungen bestehen, da ihm dadurch ein leichterer Zugang zu Mietobjekten ermöglicht wird", schreiben die Initiatoren.
"Selbstregulierung"
Jeder "böswillig" Eingetragene besitze im Übrigen das Recht, dagegen zivil- oder strafrechtlich vorzugehen. "In diesem Fall werden wir diesen Eintrag sofort entfernen und den Behörden die notwendigen Daten zur Verfügung stellen." In einem internen Log-File wird deshalb auch gespeichert, wer auf dem Portal etwas wann einträgt.
Weil jeder Eintragende darauf aufmerksam gemacht wird, für etwaige falsche Angaben haftbar zu sein, sei auch der Schutz gegeben, dass jemand nicht zu Unrecht als "unbequemer" Mieter abgestempelt wird, argumentieren die Betreiber. "Dadurch entsteht eine Selbstregulierung. Zusätzlich appellieren wir an den gesunden Menschenverstand des mündigen Bürgers."
Datenschutzrechtliche Bedenken
Für Niedermühlbichler ist das weiterhin unbefriedigend, weil mit diesem System alle möglicherweise betroffenen Mieter von sich aus bei der Plattform anfragen müssen, ob sie bereits eingetragen wurden oder nicht. Außerdem führt der MVÖ-Präsident erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken ins Treffen. Erhart und Pucher verweisen in den Nutzungsbedingungen zwar darauf, dass ihre Datenschutzpraxis "mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie dem Telemediengesetz (TMG) im Einklang steht". Niedermühlbichler bezweifelt aber, dass es Vermietern oder Hausverwaltungen gestattet ist, Daten von Mietern ohne deren Eingeständnis weiterzugeben.
Er hat vorsichtshalber die im Bundeskanzleramt angesiedelte Datenschutzkommission über die Plattform informiert, die die Angelegenheit nun prüft. "Und falls dabei herauskommt, dass das legal ist, dann ist hier dringend eine Gesetzesänderung notwendig", fügt Niedermühlbichler an.
Daten-Passus wurde wieder gelöscht
Ein weiterer Passus, den der MVÖ-Präsident als höchst bedenklich erachtete, ist nach Übermittlung der Fragen von derStandard.at bereits wieder von der Website verschwunden: Nämlich jener, dass sich das Betreiber-Team vorbehalte, "alle gesammelten Daten in weiterer Zukunft auch kommerziell zu verwerten".
"Wir wurden hier anscheinend missverstanden bzw. haben eine unglückliche Formulierung verwendet", so Erhart und Pucher in ihrem Antwort-E-Mail, "denn wir haben kein Interesse, die erworbenen Daten, sondern die Plattform an sich kommerziell zu verwerten." Ziel sei es, Sponsoren aus der Immobilienwirtschaft zu finden, die das Portal finanziell tragen könnten. "Um dieses Missverständnis zu beseitigen, haben wir diesen Passus aus unseren Nutzungsbedingungen entfernt." Die eingetragenen Mieter-Daten werden an niemanden weitergegeben, versichern sie, "außer an offizielle Behörden des Staates Österreich, mit denen wir im Falle einer Anfrage mit begründetem Interesse kooperieren werden".
Auf die Idee für die Website gekommen sind Erhart und Pucher übrigens "durch diverse Medienberichte, und weil es noch keine Plattform gibt, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt". Sie sind überzeugt, dass die Plattform "zur Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten beitragen kann".
Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen: Die Mietervereinigung will gegen die Website jedenfalls alle rechtlichen Hebel in Bewegung setzen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 31.8.2012)