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EZB-Chef Mario Draghi (links) und Italiens Premier Mario Monti arbeiteten beide für Goldman Sachs.
New Yorker Backsteinbauten vor Hochhäusern, ein
Sonnenuntergang vor historischen und neuen chinesischen Bauten, ein farbiger
Junge mit Cello, eine indisch anmutende Schönheit mit hoffnungsvollem Blick,
dazu die Wörter "Gutes tun", "nachhaltig wirtschaften" oder
"Harlems Kinderzentrum". Diese Sujets befinden sich nicht auf der Homepage
einer NGO, sondern zieren den Internetauftritt von Goldman Sachs, einer
der größten Investmentbanken der Welt. Auf der Startseite jener Institution,
die mehr als jede andere mit der Politik in den USA und Europa verknüpft zu
sein scheint, findet sich kein einziges Mal das Wort Bank.
Talente ins Licht
Laut der einst dominierenden Figur im Raiffeisen-Imperium, Christian Konrad, ebnen eine gute Kinderstube und die zehn Gebote einer Karriere in Österreich den Weg. Weltweit könnte dazu auch die Tätigkeit bei Goldman Sachs zählen. Egal ob Notenbanker, Politiker, EU-Kommissar oder Bankenaufseher, der Anteil an früheren Bankmanagern ist auffällig hoch. Das kann man begrüßen, sich aber auch davor fürchten. Für Ersteres spricht etwas, was man die "Theorie des Talents" nennen könnte. Man geht dabei davon aus, dass die begabtesten Menschen jeder Generation in das jeweils vielversprechendste Tätigkeitsfeld streben. Ab Mitte der 1980er Jahre bis zur Finanzkrise, die 2007 ihren Lauf nahm, war das die Bankenwelt. Nicht nur Wirtschaftler, sondern auch Historiker, Mathematiker und Physiker zog es in die Glaspaläste in New York oder Frankfurt.
Naturwissenschaftler waren federführend an der Konstruktion jener Wertpapierbündel beteiligt, die die amerikanische Immobilienkrise in dieser Dimension erst ermöglicht haben. Dass Händler der Bank mitunter auch gegen die von ihnen verkauften Papiere wetteten, hat Goldman Sachs nur einen kleinen Dämpfer verpasst. Auch heute gilt das in New York beheimatete Unternehmen als weltweit führend, wenn es um einen Börsengang, die Übernahme eines Konkurrenten oder die Verwaltung von Vermögen geht.
Drehtür in die Politik
Sich vor Goldmans Macht zu fürchten, ist wiederum angesichts der Faktenlage angebracht. Beginnen wir mit den Politikern, die in der Vergangenheit für die Bank tätig waren. Italiens amtierender Premierminister Mario Monti war Berater, die ehemaligen US-amerikanischen Finanzminister Robert Rubin (1995-1999) und Henry Paulson (2006-2009) saßen im Vorstand der Bank. Jon Corzine, ehemals Gouverneur von New Jersey, war wie Paulson sogar Chef der Bank.
Dann kommen die Notenbanker. Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), war zuvor Vizepräsident des Europa-Geschäfts der Bank (2002-2005). In seiner Rolle als Währungshüter muss er das Vertrauen in den durch Griechenland erschütterten Euro zurückgewinnen. Doch ausgerechnet sein ehemaliger Arbeitgeber hat Athen 2001 geholfen, durch Verschleierung der wahren Finanzsituation überhaupt Mitglied des Euroclubs zu werden.
Kredite sind dabei nicht als Schulden, sondern als Währungsgeschäfte verbucht worden ("Währungs-Swaps"). An der dabei erfolgten zeitlichen Streckung der Schulden soll Goldman Sachs sehr gut verdient haben. Und verdienen: Noch ganze 25 Jahre muss Griechenland 400 Millionen Euro jährlich für diesen Deal bezahlen, berichtet eine im ORF-Magazin "Eco" und auf "Arte" gesendete Dokumentation.
Der Italiener Draghi kam übrigens erst ein Jahr danach zu Goldman Sachs, zu jener Zeit war er noch Generaldirektor im römischen Finanzministerium.
Ex-Banker wachen über Finanzwirtschaft
Ebenfalls ein gutes Parkett für ehemalige Goldman-Sachs-Banker ist der Finanzstabilitätsrat (FSB). Dieser internationale Ausschuss schlägt den G-20-Ländern Maßnahmen vor, wie die Finanzmärkte reguliert werden könnten. Den Vorsitz hält der Chef der kanadischen Notenbank, Mark Carney. Er hatte zuvor denselben Arbeitgeber wie sein Vorgänger Draghi: Goldman Sachs. Das haben beide gemeinsam mit Bill Dudley, der Chef der New Yorker Federal Reserve, eines Teils des US-amerikanischen Notenbanksystems, ist. Dudley überwacht den wichtigsten Finanzplatz der Welt.
Letztlich standen mit Monti, Peter Sutherland und dem bereits verstorbenen Karel van Miert auch drei EU-Kommissare nach ihrer Zeit in Brüssel im Sold Goldman Sachs.
Klar ist dabei, dass die "Grenzgänger" beim Wechsel in Politik, Notenbanken oder Behörden ihre Anteile an der Bank – insofern sie welche hielten - veräußerten. EZB-Chef Draghi ging so vor. Und auch der Österreicher Paul Achleitner, der Ende der 1990er Jahre Deutschland-Chef der Bank war, machte seine Beteiligung mit dem Wechsel in die Allianz Versicherung zu Geld. Heute ist er Aufsichtsratschef der Deutschen Bank.
US-Justiz zahnlos
Geld ist auch jene Form, in der Goldman Sachs zu seiner Verantwortung gezogen wird. Weil sie ihre Klienten, als sich erste Zeichen einer Immobilienkrise verdichteten, fehlberaten haben, mussten die New Yorker 550 Millionen Dollar (rund 400 Millionen Euro) Strafe zahlen. Die US-Börsenaufsicht SEC warf der Bank vor, "Investoren in die Irre geführt" zu haben.
Persönliche Verantwortung musste aber bis dato noch kein Banker übernehmen. Das US-Justizministerium hat keine ausreichenden Beweise gefunden, die eine strafrechtliche Verfolgung von Mitarbeitern rechtfertigen. Und das, obwohl die Manager im internen Mailverkehr die von ihnen verkauften Papiere als "Schrott" bezeichneten. Mit zivilrechtlichen Klagen ist die Bank, wie viele andere auch eingedeckt – allein die Deutsche Bank hat in ihrer Bilanz über drei Milliarden Euro für Prozessrisiken rückgestellt.
Draghi dürfte derweil wieder ein Déjà-vu erleben. So soll Goldman Sachs seit kurzem gegen italienische Staatsanleihen wetten. Der EZB-Chef hingegen steht auf der anderen Seite und will "alles Nötige tun, um den Euro zu retten". Dazu gehört auch der Kauf dieser Papiere. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 3.9.2012)