Berührend, erschreckend, deprimierend und luzide. An ihrem 13. Geburtstag beginnt ein Mädchen im ungarischen Várad ein Tagebuch zu führen. Man schreibt Februar 1944. Das Universum des Mädchens Éva, deren Notizen 1947 von ihrer Mutter, der Journalistin Ágnes Zsolt, posthum publiziert werden sollten, oszilliert anfangs zwischen persönlichen Befindlichkeiten und pubertären Emotionen, wechselt aber rasch zu einer einprägsamen Schilderung des Holocaust.

Die Notate sind weit mehr als die Beschreibung unfassbarer Gräuel des Nazi-Regimes. Unbedeutsam ist in Wahrheit der Verlust persönlicher Dinge im Gegensatz zum Verlust von Individualität, Würde, Selbstachtung. Aus der Perspektive des von Mutter und Stiefvater - liebevoll Ági und Béla-Bácsi genannt - getrennten Mädchens erfährt man von Ausweglosigkeit, Angst, Enteignung, Verschleppung, von Helfern und Häschern. Éva übergibt, kurz vor ihrer Deportation, das Tagebuch ihrem Kindermädchen. Sie selbst stirbt, gequält von Mengele, in Auschwitz.

Ágnes Zsolt beging 1951, nicht zuletzt aufgrund des Holocaust-Traumas - der Gewissensbisse, selbst überlebt zu haben -, Selbstmord. Als Vermächtnis bleibt ein berührend- beklemmendes, authentisches historisches Dokument. Wehret einer Wiederholung! Wider das Vergessen!(Gregor Auenhammer/DER STANDARD, 1./2. 9. 2012)