"Die ganze Energiewende ist ein wahnsinnig komisches Thema": Harald Schmidt ist vor dem Neustart am 4. September auf Sky Atlantic HD voller Tatendrang.

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STANDARD: Herr Schmidt, erklären Sie bitte einem technisch durchschnittlich kompetenten Konsumenten, was er alles benötigt, um Ihre neue Show auf Sky sehen zu können.

Schmidt: Sie brauchen einen Receiver, dann rufen Sie eine Servicenummer an, und innerhalb einer halben Stunde läuft das Programm.

STANDARD: Fehlt noch eine Kleinigkeit. Was ist denn unabdingbar, damit der Receiver funktioniert?

Schmidt: Für mich die Fernbedienung. Oder meinen Sie diese Karte? Wie heißt die noch einmal? Ich glaube Smartcard.

STANDARD: Das müsste Ihnen eigentlich gefallen: Kein Schmidt ohne Smartcard. Hintergrund der Frage ist aber natürlich das, worüber die Medienwelt gerade spricht: Sind Sie mit Ihrer Late Night Show auf Sky nun endgültig im Abseits gelandet, oder in der Avantgarde des Fernsehens?

Schmidt: Natürlich in der Avantgarde.

STANDARD: Darauf haben Sie doch seit Jahren hingearbeitet.

Schmidt: Ich glaube, dass ich nicht wusste, dass ich eine Strategie habe, das ich unbewusst aber seit Jahren eine praktiziere, und das ist das Ergebnis.

STANDARD: Ist das eigentlich noch Fernsehen? Sie laufen auch auf Sky Go und Sky Anytime.

Schmidt: Nein, denn das habe ich gelernt: (förmlich) Wir bei Sky sind kein Sender, sondern eine Entertainmentplattform. Hier wird nicht ausgestrahlt, hier werden Inhalte zur Verfügung gestellt.

STANDARD: Im Vergleich zu internationalen Pay-TV-Angeboten fällt das deutschsprachige Sky dadurch auf, dass nahezu das gesamte Programm eingekauft wird. Bilden Sie das „missing link" zu künftigen Eigenproduktionen?

Schmidt: Das wäre schon zu viel der Ehre, aber es war bei den Gesprächen mit Sky für mich ganz klar rauszuhören, dass die Zukunft den Eigenproduktionen gehören soll.

STANDARD: Sie laufen nun auf Sky Atlantic HD inmitten bekannter amerikanischer Serien? Kennen Sie sich da aus? Ist Ihnen Don Draper ein Begriff?

Schmidt: Nein, der nicht. Tony Soprano, das ist ja klar. Ich mag Boardwalk Empire: ein Schauspieler wie Steve Buscemi in einer Produktion von Martin Scorsese. Oder auch die neu angelaufene Serie Newsroom. Das sind Sachen, die ich mir privat anschauen würde. Dass wir in dieses Umfeld sehr viel besser passen als woandershin, ist eindeutig.

STANDARD: Einen vorübergehenden Verlust an Außenwirkung nehmen Sie in Kauf?

Schmidt: Wie denn anders? Das ist so, als würden Sie jemand wie Cioran, der in der Dachkammer geschrieben hat, fragen, ob er nicht einen Bestseller schreiben möchte.

STANDARD: Sie nehmen einen rumänischen Nihilisten im Pariser Exil als Vorbild für Ihre "splendid public isolation"?

Schmidt: Das gefällt mir wahnsinnig gut. Und ganz wichtig: Cioran war ja keineswegs, wie von Leuten geglaubt wird, ein großer Finsterling. Das waren sie alle nicht, das war auch Beckett und Ernst Jünger nicht. Je düsterer das Werk, desto heiterer der Alltag.

STANDARD: In Ihrer ersten Show am 4. September wird die Pianistin Hélène Grimaud zu Gast sein.

Schmidt: Nichts liebt der rumänische Nihilist mehr als schöne Frauen. Und wenn das noch Weltklassemusikerinnen sind, dann sind wir mitten in Paris.

STANDARD: Sie sind nun schon eine Weile dabei. Was hat sich denn so verändert im Lauf der Jahre?

Schmidt: Es ist sehr viel kleinteiliger geworden, alles ist sehr viel weniger leicht einzuordnen. Das Tempo hat sich wahnsinnig erhöht durch das Internet. Vermutlich wird meine Generation an Moderatoren die letzte sein, die es noch schafft, ein Markenzeichen zu werden. Einen Helmut Kohl unter den Moderatoren wird es nicht mehr geben.

STANDARD: Sie wären der Helmut Kohl Ihres Metiers?

Schmidt: Vermutlich wird das Stefan Raab sein.

STANDARD: Sie behaupten immer wieder, Quoten wären Ihnen egal. Wann war denn das letzte Mal, dass das gelogen war?

Schmidt: Ich kann mich nicht erinnen. Bei Verstehen Sie Spaß, da war das noch wichtig, aber da war bei der dritten Ausgabe klar: Es geht rapide abwärts. Bei Schmidteinander hatten wir niemals Quote. Bei Sat1 hieß es: Wir halten das durch, das ist ein Imagefaktor. Dann wurde es plötzlich Kult. Bei der ARD hatten wir die 1,3 Millionen, die auf diesem Sendeplatz drin sind. Wenn ich mich nach der großen Quote strecken würde, etwas Sinnloseres kann man sich gar nicht vorstellen.

STANDARD: Gab es bei der Rückkehr zur ARD so etwas wie einen kulturellen Anspruch Ihrerseits? Einen Versuch, das umkämpfte öffentlich-rechtliche Fernsehen zu stärken?

Schmidt: Nein. Ich hatte damals einen Grundfehler: Ich dachte, die Zuschauer, die Tagesthemen schauen, wollen diese Themen danach auch noch in der Late Night. Aber nach den Tagesthemen laufen drei Trailer in der Größenordnung Armenisches Frauenhaus spielt rückwärts Theater, danach kam noch das Wetter, und dann war auch der letzte Zuschauer eingeschlafen. Dann kamen wir. Ich habe mich nie beklagt.

STANDARD: Neulich haben Sie einem breiten Publikum in Stuttgart den Don Giovanni erklärt. Ist das Hochkultur oder Allgemeinbildung?

Schmidt: Es gibt noch wahnsinnig viele Leute, die in klassische Konzerte gehen. Ob das Hochkultur ist, weiß ich nicht.

STANDARD: Der Don Giovanni schließt an Ihre bildungsbürgerlichen Show-Einlagen an. Was war für die das Motiv?

Schmidt: Erstmal ging es darum, für mich selber die Inhalte klar zu machen. Worum geht es eigentlich im Hamlet? Und dann ging es darum, ein Publikum, das ansonsten „scripted reality" sieht, damit zu quälen, sich Begriffe wie Dramaturgie oder Overtüre anzueignen.

STANDARD: Wie gehen Sie denn nun an die Sendung heran? Ironie hat ja heute einen schweren Stand, sie ist, wenn man so will, ihren eigenen Erfolgen zum Opfer gefallen.

Schmidt: Ich halte es inzwischen mit Ernst Jünger: Ein Gott braucht keine Ironie.

STANDARD: Sie selbst also auch nicht mehr? Den Gott beziehen Sie auf sich selbst?

Schmidt: Auf wen sonst? Ironie ist mittlerweile ein absolutes Schimpfwort. Heute zählen Wahrhaftigkeit, Lässigkeit, Entschleunigung. Meine Haltung hat sich nicht geändert. Wir warten jetzt einfach die nächsten 500 Jahre ab, bis der Ironiebedarf wieder steigt.

STANDARD: In diesen 500 Jahren lassen Sie die Dummheit mit sich selbst allein. Was ist denn dann noch komisch?

Schmidt: Den Begriff Dummheit benütze ich gar nicht, denn obwohl ich sehr arrogant bin, möchte ich doch nicht überheblich sein. Ich mache mir einfach so meine Gedanken. Die ganze Energiewende ist ein wahnsinnig komisches Thema, das wird mir aber in der breiten Meinung als Zynismus ausgelegt. Meine Lieblingsgruppen sind Naturfreunde aus dem Schwarzwald, die sich vor laufender Kamera anschreien, wer über die Wasserstände sprechen darf. Und so hangele ich mich durch das Jahr.

STANDARD: Was macht der Nihilist nach dem Interview? Nichts?

Schmidt: Nach dem Interview geht der Nihilist ins Bistro, trinkt einen Kaffee und schreibt ein bisschen was für die Schublade. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 1./2.9.2012/Langfassung)