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Mitarbeiter des Satiremagazins "Titanic" ketteten sich aus Protest gegen die Klage des Vatikans an den Michel in Hamburg.

Foto: APA/EPA/Reinhardt

Hamburg/Wien - Dem deutschen Satiremagazin "Titanic" ist laut seinem Chefredakteur Großes gelungen: "Wir haben die Unfehlbarkeit des Papstes widerlegt", frohlockte Leo Fischer, nachdem am Donnerstag bekanntgeworden war, dass der Vatikan seine Klage gegen das Magazin zurückgezogen hatte. "Wir sehen uns in einer Tradition mit Giordano Bruno, Galileo Galilei und Margot Käßmann, die alle im Nachhinein recht bekommen haben. Ob das 500 Jahre oder fünf Monate gedauert hat, ist vor der Ewigkeit ohne Bedeutung."

Mit den Vergleichen würde Fischer die Bedeutung des Streits "maßlos überschätzen", bewies die "FAZ" daraufhin Sachkenntnis und Humorlosigkeit. Zudem sei nicht Papst Benedikt selbst hinter der Anklage gestanden, sondern ein übereifriger Kardinal, der nun zurückrudern musste.

Debatte über Gotteslästerung

"Titanic" hatte auf dem Cover der Juni-Ausgabe den Papst mit Urinfleck auf der Soutane abgebildet, darüber war in Anspielung auf Vatileaks zu lesen: "Die undichte Stelle ist gefunden". Bereits öfter ist das Magazin wegen seiner Cover geklagt worden - und hat bisher immer gewonnen. Diesmal aber hatte die Klage eine Debatte in Deutschland ausgelöst - ob Blasphemie härter bestraft werden solle.

Geht es um Gotteslästerung, gebe es in Europa eine Rückkehr zu Konzepten aus dem Mittelalter, meint David Nash, britischer Historiker und Autor des Buches "Blasphemy in the Christian World - a History". Seit der Aufklärung sei Religion in Europa als Sache des Individuums betrachtet worden, seit den 1990er-Jahren gebe es aber eine Tendenz, Gotteslästerung wieder wie im Mittelalter durch den Staat ahnden zu lassen. So verabschiedete Irland etwa 2009 ein umstrittenes Gesetz, nach dem Blasphemie mit einer Strafe von bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann. Zudem würde der Vorwurf der Blasphemie deutlich zunehmen.

"Die Säkularisierung ist in Europa nicht so verlaufen, wie sich das viele vorgestellt haben", meint Nash. "Religionen vergewissern sich durch den Blasphemie-Vorwurf ihrer selbst, er ist ein Weg, Leute an ihr Konzept von Heiligkeit zu erinnern." Zudem würden Religionen den "Status des Beleidigten" nutzen, um ihre Ideen zu verbreiten.

Einen Grund für die Rückkehr der Blasphemie sieht Nash in der europäischen Einigung: "Der Versuch, Gesetze in ganz Europa anzugleichen und allgemeine moralische Standards zu etablieren, produziert Widerspruch und Reibung." Einige christliche Gruppen würden argumentieren, dass dabei nur der "kleinste gemeinsame moralische Nenner" gefunden werde, was automatisch zu einen Verfall der Moral führe.

Die jüngste Blasphemie-Debatte in Deutschland ausgelöst hatte der Schriftsteller und Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach. In einem Artikel in der "Berliner Zeitung" forderte er härtere Strafen für Blasphemie, mit dem Argument, dass Gotteslästerung zu Aufruhr und Gewalt führen kann und dies verhindert werden müsse. Zudem baue das Grundgesetz auf christliche Werte, und Künstler habe die Zensur bisher stets eher beflügelt als beschnitten.

Vor Urteil gegen Pussy Riot

Der Artikel war vor dem Urteil gegen die russische Punkband Pussy Riot erschienen, erregte aber dennoch lebhaften Widerspruch. Kurz darauf sprang der katholische Philosoph Robert Spaemann in der "FAZ" Mosebach zur Seite. Es sei zwar nicht Aufgabe eines säkularen Staates, Gott vor Beleidigungen zu schützen, wohl aber seine Bürger. Und diese seien, wenn sie religiös sind, von einer Gottesbeleidigung härter getroffen als von einer Beleidigung ihrer Person. Die Strafe für die Beleidigung von Religionen solle daher "doppelt so hoch" ausfallen wie für jene von Menschen. (Tobias Müller, DER STANDARD, 1.9.2012)