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Gallmetzer: "Die Franzosen nennen das Politiker-Politik."

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Armin Wolf beim Sommertalk mit Josef Bucher...

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...und Heinz-Christian Strache: "Der Tellerrand lässt grüßen!"

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Er ist derzeit ohne Zweifel der beste Polit-Interviewer des ORF: kompetent, souverän, schlagfertig und jedem Gesprächspartner gegenüber gleich kritisch. Motto der heurigen Sommergespräche: den politischen Werdegang der fünf Parteichefs und deren Persönlichkeit unter die Lupe nehmen.

In der Tat haben die kurzweiligen Porträts Klaus Dutzlers und die Nachstoß-Fragen Armin Wolfs so manch unbekannten Aspekt der Polit-Biografien beleuchtet. Zugleich läuft diese Formel Gefahr, in eine der Grundfallen der derzeitigen Politik- und Medienunkultur zu tappen: Image vor Inhalt. Demnach bleibt Josef Bucher für 60 Prozent der Österreicher unbedeutend. Als Erneuerer hängen ihm die Ex-Haider-Recken Stadler, Westenthaler und Petzner mit all ihren Affären am Hals. Und noch schwerer kann er sich gegenüber der " Berlusconi-Mini-mundus-Imitation" Fränk profilieren.

So weit, so gut. Eva Glawischnig gilt laut ORF/Karmasin-Umfrage als " intelligent, sympathisch und teamfähig", aber ohne Charisma und Durchsetzungsfähigkeit. Ach, dieses Image! Da schien es Armin Wolf folgerichtig, den Aufmacher des Gesprächs dem Disput um Glawischnigs Tempo im E-Dienstauto zu widmen (es haben ja soo viele das Video angeklickt!). Die Widersprüche in der grünen Formulierung über "Freigabe" oder "Entkriminalisierung" von Cannabis und die Frage, warum denn die Grünen schon seit 13 Jahren in die Regierung drängen, verdienten ebenso gewürzte Verhörstrecken. Was die Grünen mit einer Regierungsbeteiligung erreichen möchten?

Auf diese Frage wartete man vergebens. Dafür wurde die Causa Parkplatzregelung für ein paar Wiener Außenbezirke zum Lackmustest für das Demokratieverständnis der Grünen hochstilisiert. Formalfragen über Basisdemokratie statt Hinterfragung von scheinplebiszitären Kampagnen, antwortete die grüne Frontfrau sinngemäß - vergeblich: Das Image ist hin, basta.

Beim Streit ums Image blieb es dann auch beim Match Wolf gegen Strache. Wie ehrlich ist er, der Volkstribun in Haiders Fußstapfen? Eine durchaus legitime Frage. Überprüft wurde sie aber leider nicht an den unzähligen Wahlslogans und Versprechen des sichtlich angespannten FPÖ-Chefs, sondern an dem von Wolf und Dutzler tadellos belegten Dauerspiel Straches mit rechtsextremen Symbolen und Attitüden. 21 Minuten von 51 galten diesem Thema.

Natürlich ist es wichtig, immer wieder aufzuzeigen, dass sich Strache von seiner rechtsextremen Vergangenheit keineswegs verabschiedet hat. Allerdings: Mit seinen bewusst inszenierten Tabubrüchen bedient er einen kleinen harten Kern seiner Gefolgs-truppe - die übergroße Mehrheit wählt Herrn Strache nicht, weil er sich rechtsextrem gibt, sondern obwohl, oder trotzdem. Deshalb wäre es wünschenswert gewesen, dass Wolfs Fragen zu einem weit größeren Teil jenen Themen gegolten hätten, die Strache wirklich die Wähler zutreiben. Selbst bei dem scharf hinterfragten Konzept einer "nordischen Hartwährungs-Union" interessierte Wolf nicht, was die Aufgabe der seit 1945 mühsam erkämpften Einigung eines friedlichen Europa zur Folge hätte, sondern hauptsächlich, ob das eine Prämisse Straches für Koalitionen sei - der Tellerrand lässt grüßen! Bei aller lobenswerten Ausleuchtung der Polit-Persönlichkeiten - die drei großen Hauptfragen, auf die Parteiführer heute eine Antwort geben müssen, lauten:

Welches der derzeit international debattierten Lösungskonzepte für die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise halten Sie für das am ehesten richtige und warum?

Wie sehr kann Österreich diese Zukunftsentscheidungen überhaupt beeinflussen?

Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, weltweit bröselt der soziale Konsens, heftige gesellschaftliche Auseinandersetzungen drohen. Was können Sie und Ihre Partei dagegen ausrichten?

Ich weiß schon, das ist schwer, weil komplex und weit weniger sexy als der "Personality-Check". Und umso schwerer ist es, wenn in den Konkurrenzmedien die Prinzipien "Image vor Inhalt" und "Bauch vor Hirn" gerade Urständ' feiern. Strache-Bussi-Bussi-G'schichterln glänzen in der Kronen Zeitung, die Renaissance der Trachtenliebe bei Politikern wird im Kurier abgefeiert, und die allgemeine Sommererregung im Gazettenwald gilt dem "Polit-Date" Glawischnig-Faymann - "Rot-grüne Sommerliebe", no na!

Aber gerade, um da entgegenzubürsten, hat Armin der Wolf doch so scharfe Zähne, oder?

Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass seit langem eine noch viel größere Unsitte im Journalismus Platz gegriffen hat. Beispiel Bundesheer. Ein Landesfürst prescht mit einem Volksbefragungsvorschlag vor. Na bumm!

Sämtliche Innenpolitik-Kapazunder ergehen sich tagelang in Kaffeesudexegesen, was das jetzt wohl für das machtpolitische Landschaftsdesign bedeuten könnte. Was hat da der Häupl dem Darabos und somit dem Faymann aufs Aug' gedrückt? Und welcher Politdeal zwischen den Über-Egos Häupl/Pröll steckt hinter dem Vorstoß? Und dass da die Landeshauptleute ...! Führungskrise in der ÖVP! Schon wieder einmal. Und werden Sie dann zurücktreten Herr Darabos?

Die Franzosen nennen das "politique politicienne" - die Politiker-Politik. Die Lust der Journalisten, am machiavellistischen Ränkespiel der Mächtigen teilhaben zu dürfen, zu wissen, was hinter den verschlossenen Türen ausgekocht wird ... wie zu Zeiten des imperialen Hofes. Der Inhalt? Berufsheer oder Wehrpflicht? Ach ja, darüber werden wir dann auch noch berichten. (Lorenz Gallmetzer, DER STANDARD, 1.9.2012)