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Ein Slogan, der leider der Realität etwas hinterherhinkt.

Foto: Reuters/YPI

Ob auf der Trabrennbahn der Favorit oder ein Außenseiter gewinnt, darauf kann man wetten. Das nennt sich Glückspiel. Wenn zwei Vertragsparteien eine Wette auf einen Basiswert abschließen, nennt man das Swap-Geschäft. Vom Prinzip her funktioniert die Sache nicht unähnlich. Kurz gesagt, wettet der Kunde bei Swap-Geschäften gegen die Bank auf die Zinsentwicklung an den Kapitalmärkten. Mathematiker haben sich diese Produkte zunächst zur Zinsoptimierung ausgedacht, zur begleitenden Absicherung großer Finanztransaktionen.

Swaps wurden erstmals in den frühen 1980ern verwendet und das durchaus im großen Stil. 1995 setzte Italien Swaps zum Eintritt in die Währungsunion ein. Damals wurde der Verdacht laut, dass auch andere Länder Swaps nutzten, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Griechenland folgte Anfang des neuen Jahrtausends mit Cross Currency Swaps zur scheinbaren Bereinigung seines Haushaltes.

In der Geschäftspraxis der Banken kommen Swap-Geschäfte auch bei wohlhabenderen Privat- oder Firmenkunden häufiger vor. Die Banken bieten den Kunden dabei die theoretische Möglichkeit, Zinsrisiken zu minimieren und damit die Kreditbelastung zu senken. Der Kunde setzt einen Betrag darauf, ob Zinsen steigen oder fallen - schon Schwankungen um ein paar Hundertstel Prozentpunkte können über Verlust oder Gewinn entscheiden. Außer den Erfindern, hochspezialisierten Hedgefonds-Managern und Anlageprofis dürfte allerdings niemand die maßgeblichen Feinheiten verstehen. Glaubt man Kritikern, wurden und werden die Risiken des Geschäfts nicht selten heruntergespielt.

Gemeinde und Kommunen wetten mit

Auch in Österreich sind solche Derivate ein Thema. Nicht nur die Stadt Linz oder Gemeinden entschlossen sich zu dieser Art von Geschäften, mit wenig erfreulichen Ergebnissen, wie man inzwischen weiß. Länder und Kommunen sind hierzulande in den Jahren 2002 bis 2007 recht intensiv auf den Geschmack der derivativen Spekulation gekommen. Die größten Positionen haben laut Rechnungshof-Bericht (2009/2010) das Land Niederösterreich (zwei Milliarden Euro) und Salzburg (mit 1,45 Milliarden Euro) in den Büchern.

Die Stadt Linz ficht mit der Bawag einen erbitterten Kampf vor Gericht aus. Die Franken-Zinswette ist für die Stadt kräftig in die Hose gegangen. Das von der Bawag aufgebaute Portfolio liegt mit über 400 Millionen Euro im Verlust. Die Stadt fordert von der Bawag die Rückzahlung der bisher geleisteten Zinszahlungen in Höhe von rund 25 Millionen Euro, die Bawag pocht hingegen auf Schadenersatz in Höhe von rund 418 Millionen Euro. Der Prozess wird vermutlich Jahre dauern. Die Stadt St. Pölten klagt gegen die RLB NÖ, die Vorarlberger Gebietskrankenkasse (VGKK) kündigte ihre Verträge mit der Bank Austria, die ihrerseits gegenüber der VGKK einen Schaden in der Höhe von 2,3 Millionen Euro geltend machte. Nach einem OGH-Urteil von Dezember 2011 muss die VGKK den „Schaden" nicht bezahlen. Auch die Wiener Stadthalle sitzt auf einem mehr als wackeligen Konstrukt an Derivatgeschäften, die seit 2007 mit einigen Millionen ins Minus rutschten. Auf eine Klage gegen die Bank Austria wurde verzichtet.

Klein- und Mittelbetriebe im Abwärtssog

In eine Schieflage gerieten aber auch zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe. Der Anwalt Ingo Kapsch etwa vertritt solche Klienten - von der Apothekerin bis zum KMU mit einigen 100 Mitarbeitern - die ebenfalls von Banken "risikoarme" Cross Currency Swaps (CCS) angedient bekamen. Meistens im Zuge einer Kreditanfrage. Der Klassiker laut Kapsch: Man sucht um einen Betriebsmittelkredit für ein Unternehmen an und bekommt von der Bank folgendes Angebot „Gerne, machen wir den Kredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren, Betrag über eine Million Euro, Zinsen in einer bestimmten Höhe und wenn Sie Ihre Zinsen senken möchten, dann bieten wir Ihnen ein tolles Produkt an. Mit einem Cross Currency Swap ersparen Sie sich 1,2, bis 1,3 Prozent Zinsen pro Jahr." Das klinge sehr harmlos, argumentiert der Anwalt im Namen seiner Kunden: „Man denkt, wenn man 1,2/1,3 Prozent pro Jahr gewinnen kann, kann man auch nicht mehr verlieren. Dass man damit 50 bis 70 Prozent verlieren kann, damit rechnet wohl niemand."

Vor den Nebenwirkungen unerwarteter Währungsentwicklungen - etwa der kräftige und vor allem unerwartete Anstieg des Schweizer Franken zum Euro oder auch die Abwertung des britischen Pfund - wurden seine Klienten laut Kapsch nicht gewarnt. Und so gilt für viele: Statt einen steten Strom von Zinsen einzunehmen, sollen sie nun Verluste ausgleichen. Manche sind mit 100.000 Euro unter Wasser, manche mit einigen Millionen, wie Kapsch im Gespräch mit der Standard.at konstatiert. Für manchen Unternehmer ist der Schaden existenzbedrohend.

Die Bank als Freund und Berater

Von Geschäften auf Augenhöhe will Kapsch nicht sprechen. „Gehe ich ins Casino, dann weiß ich, die Casinos Austria sind nicht mein Freund. Die Bank tritt aber als Berater und Freund auf und behauptet, für den Kunden zu optimieren", bringt er seine Einschätzung auf den Punkt. Die Banken hätten etwa mit Währungswaps (im Fall seiner Kunden) gute Geschäfte gemacht, der Kunde hatte nach seiner Einschätzung das gesamte Risiko. Denn, so wie Kapsch es sieht, konnten die Banken gar nicht verlieren. Juristisch ging das so: Die Bank unterliegt dem Wertpapieraufsichtsgesetz. Sie muss, wenn sie dem Kunden ein Produkt anbietet, ihn vollständig aufklären, im Interesse des Kunden handeln und ihn auch über mögliche Interessenkonflikte informieren.

Sollte der Kunde aus der (juristisch gesehenen) Wette gegen die Bank einen Gewinn machen, wäre das spiegelbildlich der Verlust der Bank. „Das ist schon ein Interessengegensatz an sich", argumentiert Kapsch. „Damit dieser Gegensatz neutralisiert wird, war die Bank zwar offiziell der Wettgegner oder Vertragspartner, hat aber das Produkt am Interbankenmarkt an eine andere Bank weiterverkauft." Das Problem: Die Bank hat sich beim Weiterverkauf eine Marge genommen, machte also risikolos den Gewinn, da sie nur als Vermittlerin auftrat. „Da liegt auch die Krux, weil sich die Bank im Schnitt fünf Prozent genommen hat. Das ist extrem viel Geld. Mit einer Unterschrift bei einer Million Euro hat die Bank 50.000 Euro verdient. Der Schluss, den der Anwalt zieht: „Je höher die Marge der Bank, umso schlechter ist das Produkt für den Kunden." Hätte die Bank - rechnet er vor - nur eine Marge von einem Prozent eingestrichen, hätte man dieses Produkt „ohne Bedingung absichern können". Selbst bei Fälligkeit in fünf Jahren hätte damit etwa der Kunde das Recht, den Schweizer Franken in Pfund zu tauschen zu einem Kurs, den man jetzt festlegt. Mit anderen Worten: Hätte man das Produkt etwas anders gestrickt, wären der Verlust für den Kunden überschaubar und der Gewinn für die Banken viel niedriger.

Interessenskonflikt

Das juristische Kernargument für Kapsch: Dadurch, dass sich die Bank eine Marge nimmt, ohne es dem Kunden zu sagen, unterliege sie einem Interessenskonflikt. Weil das Geschäft nur zustande komme, indem sie das dem Kunden verschweigt. „Der Kunde kann das Risiko nicht erkennen, weil die Bank ihm das empfiehlt. Würde der Kunde wissen: Es ist jemand bereit, mit dieser Unterschrift an meine Hausbank 50.000 Euro zu zahlen, damit er in diese Wette mit mir einsteigt, dann wird er sehr misstrauisch werden und wird sich auch überlegen, dass das hochriskant ist. Ihm wird auffallen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dieser Wette Geld verliert, höher ist, als dass er damit Geld gewinnt. Denn sonst würde das wohl niemand machen. Die Chancen vor Gericht Recht zu bekommen, stehen laut Kapsch nach dem OGH-Urteil in Fall Vorarlberger Gebietskrankenkasse derzeit nicht schlecht. (Regina Bruckner, 4.9.2012)