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Zahlreiche österreichische Bauern haben in Ungarn Ackerland erworben - nicht immer mit ganz legalen Methoden.
In österreichischen Medien wurde zuletzt mehrfach berichtet, dass die ungarische Regierung österreichische Bauern mit Grundbesitz in Ungarn drängt, ihren Boden an den Staat zu verkaufen. Diese Vorgänge sind unabhängig von drohenden Enteignungen zu sehen, die den Naturschutz betreffen, sondern hängen mit den sogenannten "Taschenverträgen" zusammen, die in den vergangenen Jahren häufig abgeschlossen wurden.
Ungarn wurde beim EU-Beitritt eine Übergangsfrist bis 2011 gewährt, um den Erwerb von landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Ausländer zu beschränken. Grundsätzlich dürfen weder ausländische Privatpersonen noch Unternehmen in Ungarn landwirtschaftlichen Grund und Boden erwerben. Diese Frist wurde von der EU-Kommission Ende 2010 bis 2014 verlängert. Während der Übergangsperiode können ausländische Privatpersonen landwirtschaftlichen Grund nur dann erwerben, wenn die im Gesetz konkret geregelten Sachverhalte zutreffen: Erbe, Ersitzung, Enteignung, Erwerb bei Versteigerung im Rahmen der Wiedergutmachung, mindestens drei Jahre lang in Ungarn niedergelassen und landwirtschaftlich tätig.
Derartige Beschränkungen sind der Republik Österreich nicht fremd. Jedes Bundesland verfügt über dementsprechende Grundverkehrsgesetze, die den Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Flächen beschränken bzw. unter eine Genehmigungspflicht stellen.
Zur Umgehung dieser ungarischen Bestimmungen wurden verschiedene Konstruktionen gewählt, die alle gemeinsam haben, dass der "ausländische Eigentümer" nach außen hin nicht auftritt; im Grundbuch scheint ein ungarischer Staatsbürger als Eigentümer auf. Diese Verträge werden in Ungarn als "Taschenverträge" bezeichnet.
Nach ungarischem Zivilrecht sind derartige Umgehungsgeschäfte nichtig. Die ungarische Regierung steht daher vor der Frage, wie sie diese Taschenverträge behandelt, zumal die Übergangsfrist 2014 ablaufen wird. Zwei Maßnahmen sind geplant:
- Die Erlassung eines modernen Grundverkehrsgesetzes, dessen Ent wurf bereits vorliegt. In Zukunft soll die Übertragung von landwirtschaftlichem Grund und Boden einer behördliche Genehmigung unterworfen werden. Ausdrücklich ist im Entwurf vorgesehen, dass die Transaktion untersagt werden kann, wenn es sich um die bloße "Legalisierung" eines Taschenvertrages handelt und wenn seitens der Behörde eine Umgehungsabsicht vermutet wird.
- Im neuen ungarischen Straf gesetzbuch, das im Juli 2013 in Kraft treten wird, werden Umgehungshandlungen zum Erwerb von Ackerland unter Strafe gestellt - mit einem Strafrahmen von ein bis fünf Jahren Haft. Bestraft werden nicht nur die Vertragsparteien des nichtigen Vertrages, sondern auch die bei der Vertragserrichtung mitwirkenden Anwälte und Notare.
Bei bestehenden Verträgen gilt, dass diese Rechtsgeschäfte nach ungarischem Recht nichtig sind und die daraus "berechtigten" Personen ihre Ansprüche auf Erwerb und Verbücherung des Eigentumsrechtes nicht durchsetzen können. Vielmehr droht diesen Verträgen auch der Eingriff durch staatliche Organe, um einen rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen; dabei droht sowohl das eingesetzte Kapital als auch der vermeintlich erworbene Grund und Boden verlorenzugehen.
Vorbild Österreich
Österreicher haben in den letzten Jahren mit tatkräftiger Unterstützung ungarischer Rechtsberater sehenden Auges Umgehungsgeschäfte abgeschlossen - in der Hoffnung, dass nichts passieren werde und der Erwerb von Ackerland ab 2014 legalisiert werden kann. Es darf jetzt - bei aller Kritik an anderen Maßnahmen der Regierung Orbán - nicht verwundern, dass der ungarische Staat darauf reagiert und gegen diese Umgehungskonstruktionen vorgeht. Ironischerweise sind gerade die strengen österreichischen Grundverkehrsgesetze Vorbild für Ungarns neue Regelungen. (Fanni Hahn, Wolfgang Friedl, DER STANDARD, 5.9.2012)