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Nach dem Skandal um gefälschte Krankenakten von Transplantationspatienten in Regensburg und Göttingen gibt es nun neue Vorwürfe gegen deutsche Transplantationsmediziner.

Foto: REUTERS/Morris Mac Matzen

Berlin/Wien - Privatversicherte müssen in Deutschland im Wartezimmer des Arztes nicht so lange warten. Sie sind dort beliebter, weil ihre Kasse dem Arzt mehr Geld für Leistungen bezahlt. Auch im Krankenhaus werden sie bevorzugt behandelt. Derartige Sichtweisen sind in Deutschland weitverbreitet, zum Teil sind sie auch nicht ganz falsch.

Die Frankfurter Rundschau schreibt nun jedoch, dass es für sie noch einen First-Class-Bereich gibt: die Organspende. Die Zeitung beruft sich dabei auf den grünen Gesundheitsexperten Harald Terpe, der sich die Zahlen einmal genauer angesehen hat.

Schlussfolgerung aus Ministerialanfrage

Ausgangspunkt seiner Analyse war die Beantwortung einer Anfrage durch das deutsche Gesundheitsministerium. Privatversicherte seien gegenüber Kassenpatienten nicht privilegiert, heißt es darin. 2011 hätten 3504 Kassenpatienten ein neues Organ bekommen und 344 "Private".

Die Schlussfolgerung: 9,8 Prozent aller Empfänger von Transplantationsorganen seien Privatpatienten gewesen. Da rund zehn Prozent der Deutschen privat versichert sind, könnte man nicht von einer Bevorzugung sprechen. Doch für Terpe hinkte der Vergleich. Da Privatversicherte meist jünger und gesünder sind als Kassenpatienten, könnte man den Anteil der Transplantationen nicht einfach auf die Bevölkerung hochrechnen.

Mehr Privatpatienten operiert

Also verglich der Politiker zweierlei: die Zahl der Privatversicherten, die auf ein neues Organ warten, und die Transplantationen des Jahres 2011. Er fand heraus, dass der Anteil der Privatversicherten auf der Warteliste für eine Leber 9,7 Prozent beträgt. Der Anteil derjenigen Privatversicherten, die 2011 eine neue Leber bekamen, lag aber bei 13,1 Prozent.

Ähnlich war es beim Herzen: Anteil auf der Warteliste 9,5 Prozent, Anteil bei den transplantierten Organen 11 Prozent. Auch bei den Lunge (6,9 Prozent Warteliste, 9,5 Prozent bei Transplantationen) und Bauchspeicheldrüse (2,6 zu vier Prozent) fand es diese Unterschiede. Auch beim sogenannten beschleunigten Verfahren, bei dem Transplantationszentren unabhängig von der Warteliste Patienten auswählen dürfen, war der Anteil der Privatversicherten höher als auf der Warteliste. Terpe hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen.

Zentrale Liste Österreich

In Österreich wäre eine solche Bevorzugung von Privatpatienten nicht gegeben, sagt Sigrid Rosenberger, Sprecherin von Gesundheitsminister Alois Stöger. Im Gegensatz zu Deutschland gebe es hier eine zentrale Liste, auf der alle Patienten gereiht werden, die auf eine Transplantation warten. Überprüfbar ist das allerdings nur schwer: In den Statistiken über Transplantationen wird nicht erfasst, ob es sich bei den Empfängern um Privatpatienten handelt oder nicht.

Im Juli hatte ein Skandal um transplantierte Organe Deutschland erschüttert: Ärzte an den Kliniken in Göttingen und Regensburg sollen Krankenakten gefälscht haben, damit ihre Patienten bei der Vergabe von Organen bevorzugt werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. (bau/tob, DER STANDARD, 4.9.2012)