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Bluthochdruck gilt als eine der Hauptursachen für Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Nierenkrankheiten.

Wien - Nierenerkrankungen und Bluthochdruck gehören nicht nur in Österreich, sondern weltweit zu den heimtückischsten chronischen Leiden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Patienten meist über Jahre gar nicht wissen, dass sie überhaupt Patienten sind: Keine Beschwerden im Alltag, keinerlei Schmerzen. Mediziner aus den Fachgebieten Nephrologie und Hypertensiologie haben aus diesem Grund am Mittwoch in Wien Alarm geschlagen.

In Österreich entwickeln etwa zehn bis zwölf Prozent aller Erwachsenen eine eingeschränkte Nierenfunktion. Die blutreinigende Niere beginnt etwa ab dem 45. Lebensjahr pro Jahr ein bis zwei Prozent ihrer Leistungsfähigkeit zu verlieren. Bei Menschen mit einer Insuffizienz verläuft dieser Prozess beschleunigt (etwa minus fünf Prozent pro Jahr), aber eben oftmals unerkannt. Auslöser dafür kann lange Zeit nicht diagnostizierter Diabetes und Bluthochdruck sein. Weil es in Österreich zu wenig niedergelassene Spezialisten gibt, machen sich Alexander Rosenkranz - Abteilungsleiter für Nephrologie an der Uni-Klinik für Innere Medizin Graz - sowie Bruno Watschinger von der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse am AKH Wien dafür stark, praktische Ärzte als "Gatekeeper ins Boot zu holen".

"Stille Killer"

So sollten etwa die Bestimmung des Nierenwertes (Kreatinin) und der Proteinurie (übermäßige Eiweißausscheidung im Harn, Anm.) in die Vorsorgeuntersuchung implementiert werden. Dies wäre, so Rosenkranz und Watschinger, ein "wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Früherkennung von Nierenerkrankungen". Werden nämlich diese "stillen Killer" zu spät erkannt, bedeutet das nicht nur einen eklatanten Verlust an Lebensqualität für die Betroffenen, sondern auch eine ganz außerordentliche finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. Untersuchungen in England hätten gezeigt, dass in einem Jahr für Patienten mit einer Nierenfunktion unter 60 Prozent des Normalwertes 1,05 Milliarden Euro ausgegeben werden - davon mehr als die Hälfte für Dialyseverfahren, obwohl diese lediglich einen Anteil von einem Prozent aufweisen.

Bluthochdruck sei global gesehen eine unterschätzte Gefahr. Weltweit leiden mehr als eine Milliarde Menschen unter Hypertonie. Laut WHO sind bei jedem dritten Erwachsenen die Werte zu hoch. Hypertonie ist jedes Jahr für 7,6 Millionen vorzeitige Todesfälle (mit)verantwortlich und eine der Hauptursachen für Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Nierenkrankheiten.

Österreichische Mentalität als Problem

Größtes Problem in Österreich: Das Problem wird zu oft auf die leichte Schulter genommen. "Bei uns heißt es schnell einmal, dass der Blutdruck 'ein bisserl zu hoch' ist. Nur kann eben auch 'ein bisserl' auf lange Sicht zur Katastrophe führen", warnte Watschinger. "Wenn man jahrelang durch einen Gartenschlauch Wasser mit zu hohem Druck jagt, dann wird der Schlauch irgendwann beschädigt sein." Dabei ist die Bandbreite an Möglichkeiten, Hypertonie in den Griff zu bekommen, eigentlich sehr groß - von regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung bis hin zu Medikamenten.

Im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaften für Nephrologie und Hypertensiologie (ÖGN, ÖGH), die am 7. und 8. September in Graz abgehalten wird, forderten die beiden Tagungspräsidenten Rosenkranz und Watschinger, dass der chronischen Niereninsuffizienz in den kommenden Jahren vermehrtes Augenmerk geschenkt werden müsse. (APA/red, derStandard.at, 5.9.2012)