Frank Stronach hätte um ein Haar die Voest bekommen (danke, Karl-Heinz!), warum soll er nicht auch die ÖBB bekommen? Wirtschaftspolitik muss heutzutage einen Schuss Verrücktheit haben, sonst interessiert sie niemanden. Hat sich vermutlich Michael Spindelegger gedacht, als er auf die Idee kam, die Bundesbahnen dem Onkel Frank anzudrehen.

Wobei eine (Teil-)Privatisierung der ÖBB nicht von vorneherein denkunmöglich ist - aber so, wie Spindelegger seine geniale Idee äußerte, ist sie wirtschaftlich und politisch (für die ÖVP) ein Rohrkrepierer. Stronach würde die ÖBB schon nehmen, aber schön filetiert und mit einer Draufgabe der Republik Österreich.

So wie die Lufthansa die AUA mit einer netten Mitgift von 500 Millionen Euro genommen hat.

Spindelegger dachte offenbar, er hätte einen kleinen taktischen Coup gelandet: Wenn Stronach wirklich darauf einsteigt, ist er für die nächsten zehn Jahre beschäftigt bzw. rasch überfordert. Da fällt er als politischer Konkurrent aus. Zugleich kann man den Koalitionspartner SPÖ ein bisschen ärgern, für den die ÖBB (bzw. ihre Beschäftigten) eine Art heilige Kuh sind.

Das ist, mit Verlaub, Firlefanz, aber irgendwie typisch für die heutige Mentalität politischer Auseinandersetzung: Hauptsache, der andere ärgert sich. Wie gesagt, Stronach wäre bereit, sich ein Filetstück aus den ÖBB halb schenken zu lassen, aber unter Bedingungen, die auch der ÖVP nicht gefallen würden: Die Pensionen zahlt selbstverständlich weiter der Staat, die Defizitabdeckung natürlich auch, und der Kollektivvertrag müsste auch geändert werden.

Vom Vorsitzenden der ÖVP hätte man - im Sommergespräch und auch anderswo - eine konzise Darstellung erwartet, wie die wichtigsten wirtschaftspolitischen Initiativen und Pläne der angeblichen Wirtschaftspartei aussehen. Stattdessen: Stronach, geh du voran.

Das ständige Verharren auf Ablehnungsstandpunkten ist auch zu wenig: " Nein zur Vermögenssteuer (Erbschaftssteuer etc.") oder "Nein zur Gesamtschule" ist zu wenig. Die ÖVP kommt dadurch nur defensiv rüber, nicht offensiv und einfallsreich. Es wäre Zeit für Spindelegger, hier einmal etwas vorzulegen.

Wahrscheinlich glauben manche in der ÖVP, dass Stronach ein Koalitionspartner sein könnte. Wenn er halbwegs abschneidet, die FPÖ kräftig verliert und die ÖVP zweitgrößte Partei bleibt, dann könnte man ja eine "Koalition der rechten Mitte" schmieden und wäre die ungemein nervenden Roten los.

Viel Glück. Ein herrischer Milliardär mit abgehobenen Ansichten und viel Geld sowie die Partei der noch nicht rechtskräftig Verurteilten als Regierungspartner - das ist genau das, was wir brauchen und was uns in der kommenden Rezession, Eurokrise etc. bestimmt helfen wird.

Wirtschaftspolitisches Notstandsgebiet ist ja nicht nur die ÖVP, sondern auch die Kanzlerpartei SPÖ. Von dort kommt nichts, außer die Umverteilung. Aber die ÖVP hatte die Aufgabe - und die Chance -, eine spannende wirtschaftspolitische Debatte zu bieten. Stattdessen Stronach. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 8.9.2012)