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Heimgekehrt, doch nicht angekommen: Ulisse (Garry Magee, re.) kühlt sein Mütchen nach seinem Amoklauf an der Hausbar; Iro (Jörg Schneider, Mitte) wird sich demnächst erschießen.

Foto: APA/MONIKA RITTERSHAUS

Wien - Das Thema ist brandaktuell, wie unter anderem der jüngste Kölner Tatort (Fette Hunde) zeigte. Auch wenn die Kriegsschauplätze weit weg aus den westlichen Ländern gerückt sind, müssen sich für die Heimkehrer aus Kampf- und Krisengebieten auch heute noch in nächster Nachbarschaft Dramen abspielen, die allzu gerne verdrängt werden.

Es war daher nicht gänzlich abwegig, Monteverdis Dramma per musica Il ritorno d'Ulisse in patria im Theater an der Wien von der Warte der Gegenwart her zu verstehen. Für Claus Guth ist die Heimkehr des Odysseus bereits zu Beginn des Abends erfolgt, sitzt der Krieger schon wieder in den eigenen vier Wänden; auch psychisch anzukommen, erscheint ihm allerdings schlichtweg unmöglich. Stattdessen nehmen seine Horrorbilder Gestalt an, und dies so realistisch, dass es auch für das Publikum uneindeutig bleibt, wie etwa das Bild getöteter Soldaten inmitten des großbürgerlichen Ambientes auf der immerfort sich drehenden und verwandelnden Bühne aufgefasst werden soll (Ausstattung: Christian Schmidt).

Auch die Rolle der Götter bleibt in der Schwebe: Sind sie mit ihren grotesken Köpfen und weißen Gewändern wie jene einer obskuren Sekte tatsächlich Albtraumvisionen des Protagonisten, wie Guth weismachen möchte? Ohne seine Kommentare im Programmheft würde das weithin offen bleiben. Dass seine dennoch überaus anregende Sicht auf das Stück ein wenig unentschlossen wirkt, zeugt allerdings auch vom Mut, die wenig zielgerichtete Dramaturgie der Oper für sich sprechen zu lassen.

Heterogene Handlungsstränge

Deutlich erkennbar auf einem isolierten Nebengleis lässt er die pastoral-komische Figur des Hirten Eumete (Marcel Beekman) neben die allgemeine Düsternis treten und setzt den Vielfraß Iro (Jörg Schneider) als lächerliche Gestalt allzu menschlich in Szene (von seinem ersten Auftritt auf dem, Pardon, Scheißhaus bis zu seinem Suizid nach witzig gezeigtem Konsum von Hochprozentigem an der Hausbar).

Unmittelbar davor ist der Titelheld mit einem Revolver Amok unter den Freiern (Rupert Enticknap, Tamás Tarjányi, Igor Bakan) gelaufen, nachdem sich merkwürdigerweise die Bogenprobe - wer Odysseus' Kampfgerät bedienen kann, soll die vermeintliche Witwe Penelope zur Frau erhalten - um ein historisches Stück gedreht hatte, und dies im Rahmen eines Spektakels wie in einer Varieténummer. Dass da nicht alles aufgeht und zuweilen ein wenig heterogen bleibt, ändert nichts daran, dass alle Blutrünstigkeit auf das Original zurückgeht.

Musikalisch dürfte die Produktion hingegen ruhig drastischer sein, verharrt das Ensemble Les Talens Lyriques (Leitung: Christophe Rousset) etwas zu sehr in fein artikuliertem, farbenreichem Wohlklang. Das Sängersensemble ist handverlesen und durchwegs ausgezeichnet auf die Partien und ihre Deutung konzentriert. Dies gilt in besonderem Maß für Garry Magee als psychotischer Ulisse und Delphine Galou als dunkel strömende, reizvoll abschattierte Penelope. Sie ist es, die am Ende den ungewissen Ausgang allein auf ihren Schultern trägt. Die Inhaltsangabe im Programmheft formuliert dies lapidar: "Die beiden versuchen einen Neuanfang."   (Daniel Ender, DER STANDARD, 10.9.2012)