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Herr Manuel Charr wollte in diesem Zustand gegen Witali Klitschko tatsächlich weiterboxen. Nun wird protestiert.

Foto: AP/Japaridze

Berlin/Moskau - Er flehte Witali Klitschko mehrfach vergeblich um eine zweite Chance an, jetzt versucht es Manuel Charr auf dem juristischen Weg. Der Schwergewichtsboxer aus Köln, der am vergangenen Samstag in Moskau gegen den überlegenen Weltmeister durch technischen K. o. in der vierten Runde verloren hatte, legte beim WBC-Verband offiziell Protest gegen das Urteil ein.

Charr und sein Management sind der Meinung, dass die Begutachtung des Cuts über dem rechten Auge durch einen Ringarzt in der Klitschko-Ecke ein "eindeutiger und unstrittiger Regelverstoß" gewesen sei. Ein Rückkampf gilt allerdings als ausgeschlossen.

"Im offiziellen Rules-Meeting am Tag vor dem Kampf wurde im Beisein beider Teams verabschiedet, dass der Ringrichter im Falle einer Verletzung den betreffenden Boxer in die nächstgelegene Ecke zu einem der beiden Ringärzte zu führen hat", sagte Pit Gleim, Geschäftsführer der Diamondboy Promotion: "Auf den TV-Aufzeichnungen ist deutlich zu sehen, dass Manuel im Moment der Unterbrechung viel näher an der eigenen Ecke war."

Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), war bei dem Meeting ebenfalls anwesend. Er habe den entsprechenden Satz von WBC-Präsident Jose Sulaiman "als reine Empfehlung" interpretiert. "Unser eigenes Regelwerk sieht so eine Regel jedenfalls nicht vor. Ich glaube auch nicht, dass das bei der WBC der Fall ist", sagte Pütz.

Wenig Futter

Pütz gab jedoch zu, selbst "sehr irritiert" gewesen zu sein, als der " Koloss von Köln" zur Untersuchung in die rote Ecke des Gegners geführt worden war. "Das ist absolut unüblich, so etwas hatte ich vorher auch noch nicht gesehen." Er könne die Verärgerung Charrs zwar verstehen, an der Tatsachenentscheidung des italienischen Ringrichters Guido Cavaleri, den Kampf abzubrechen, gebe es jedoch keine Zweifel. "Da ist sehr wenig Futter an der Geschichte, der Protest wird meiner Meinung nach keinen Erfolg haben", sagte Pütz.

Aus sportlicher Sicht wäre eine Neuansetzung des Duells ohnehin reizlos, nahezu lachhaft. Der 41-jährige Klitschko hatte seinen um 14 Jahre jüngeren Herausforderer bis zum Abbruch regelrecht vorgeführt und in der zweiten Runde sogar einmal auf die Bretter geschickt. Dennoch hatte Charr hinterher getönt: "Ich hätte Witali in der zweiten Hälfte geknackt. Ich wäre Weltmeister geworden." Möglicherweise war diese aberwitzige Selbsteinschätzung eine Nachwirkung der Schläge.

Das Klitschko-Management wollte sich zu Charrs Protest nicht äußern. Auch die Frage nach Klitschkos sportlicher Zukunft bleibt weiter offen. " Oberste Priorität hat bei Witali seit Montag der Wahlkampf in der Ukraine", sagte Klitschko-Manager Bernd Bönte. Bis zu den Parlamentswahlen am 28. Oktober werde es keinerlei Verhandlungen geben, auch nicht mit David Haye.

Der britische Skandalboxer hat mit großspurigen Aussagen Klitschko wieder einmal herausgefordert. "Das war eine ganz schwache Leistung von Witali. Ich bin sicher, dass er mit mir niemals sechs Runden durchstehen würde, er ist ein Fallobst", sagte Haye.

Bönte nimmt das Ballyhoo gelassen bis gelangweilt zur Kenntnis: "Hunde, die bellen, beißen nicht." (sid, red, DER STANDARD, 12.9.2012)