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Foto: Zoon

Wien - Musiktheater heute - was ist das? Zum allergrößten Teil eine museale Angelegenheit: kanonisierte Meisterwerke der Vergangenheit, in deren Pausen gern dem Verzehr von Sekt und Lachsbrötchen nachgegangen wird. Es gibt in Wien aber auch eine erkleckliche Anzahl von freien, größtenteils dem Zeitgenössischen zugewandten Musiktheatergruppen. 13 davon präsentieren am 21. und 22. dieses Monats eine Leistungsschau in der Ankerbrotfabrik. Mit dabei ist auch Zoon Musiktheater, deren neuestes Projekt gerade in der Innenstadt zu erleben ist.

In der Garage X am Petersplatz, dieser kleinen subterrestrischen Revoluzzerzelle mitten in Ursula Stenzels Bastion der gut betuchten Bürgerlichkeit, präsentiert die von Thomas Desi geleitete Gruppe das Werk Tactics, ein, so der Untertitel, "post-war music theatre". Mit Claus Guths Deutung von Monteverdis Il ritorno d'Ulisse in patria, die gerade im Theater an der Wien zu sehen ist, teilt es nicht nur das Thema (Traumatisierung durch Kriegseinsätze und Folgen im familiären Umfeld), sondern auch Spurenelemente der Musik Monteverdis.

Diese hat Desi jedoch in Zusammenarbeit mit Sebastian Adam (E-Gitarre), Jürgen Schallauer (E-Bass) und Alexander Schuster (Schlagzeug) in ein beeindruckend erdiges Rockgewand gesteckt. Manchmal malt die Band auch nur flächigen Klanghintergrund; oft wird auch monodiert, monologisiert oder einfach nur geschwiegen. Man erlebt Erwartung, Rückkehr und versuchte Annäherung und Wiedervereinigung eines Soldaten mit seiner Frau (überzeugend: Dieter Kschwendt-Michael und Maida Karisik). Das Buch hat Desi aus Textfragmenten von den auf Wikileaks veröffentlichten Iraq War Logs, aus Blogs und Medienberichten montiert.

"Ich bin das, was zurückbleibt", beschreibt da etwa die Frau des Soldaten ihre Lage und setzt sich, die Rückkehr ihres Mannes betreffend, unter Druck: "Es muss wieder genau so sein!" Dieser wendet sich bei seiner Rückkehr als erstes seinem Gewehr zu, einen Suizidversuch bricht er ab. Der Soldat betont, mehr geleistet zu haben "als ein Scheißzivilist"; die Frau wird als "geldgierig" beschimpft, Streit und wechselseitige Untreuevorwürfe folgen.

Der raue Charme des Handgemachten, Heterogenen, der dieser Produktion zu eigen ist, wird sich nicht jedem erschließen. Als Antidot gegen eine Überdosis an in Perfektion, Konvention und Gestrigkeit erstarrtem Musiktheater ist Tactics aber jedenfalls zu empfehlen.   (Stefan Ender, DER STANDARD, 13.9.2012)