Bild nicht mehr verfügbar.

Vladimir Spidla

Foto: APA/Hopimedia
Göttweig/Wien - Nach der jüngsten Erklärung der tschechischen Regierung, wonach die Ereignisse und Taten während der Vertreibung der Sudetendeutschen bei und nach Kriegsende 1945 "aus heutiger Sicht unannehmbar" seien, wurde mit der Teilnahme von Ministerpräsident Vladimír Spidla am Europa-Forum Wachau eine weitere Geste Prags erwartet.

In seiner Rede in Stift Göttweig bekannte sich Spidla am Sonntag zu der deutsch-tschechischen Aussöhnungserklärung von 1997, in der die tschechische Seite die Enteignung und Aussiedlung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Exzesse ausdrücklich bedauert hat. Die Aussagen der deutsch-tschechischen Erklärung hätten auch für Österreich Gültigkeit.

Die in der Erklärung von 1997 enthaltenen Worte "beziehen sich in vollem Maß auf jene Deutschsprachigen, die zu Österreichern wurden", sagte Spidla. Die Sache der Vertreibung sei aus der gesamten Geschichte herausgerissen worden, dadurch sei in diesem Zusammenhang ein negatives Bild in der tschechischen Gesellschaft entstanden, so Spidla. Er erinnerte an die Regierungserklärung von vorletzter Woche, wo die damaligen Ereignisse als "aus heutiger Sicht unannehmbar" bezeichnet werden.

Spidla sagte weiter: "Wenn wir uns zu einer moralischen Verantwortung bekennen, können wir das nicht mit rechtlichen Dingen vermischen." Hierbei (bei den Enteignungs- und Vertreibungsdekreten, Anm.) handle es sich um eine abgeschlossene Sache, "neue Rechtsverhältnisse können damit nicht begründet werden". In Tschechien könnten heute in diesem Kontext weder Strafen verhängt werden, noch könnten Strafen, die in der Nachkriegszeit verhängt wurden, vollstreckt werden.

Keine Besitzfragen

Die deutsch-tschechische Erklärung von 1997 klammert Eigentumsfragen aus. Vertreter der Sudetendeutschen warfen Prag vor, die vom damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem damaligen tschechischen Premier und heutigen Staatspräsidenten Václav Klaus unterzeichnete Erklärung als "Alibi gegen sudetendeutsche Restitutionsforderungen zu missbrauchen". Das Europäische Parlament bezeichnete die Erklärung als "gute Grundlage für die Versöhnung".

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach nach der Erklärung Spidlas von einem "wichtigen Meilenstein und einem historischen Tag". Zum ersten Mal habe ein tschechischer Ministerpräsident Österreich ausdrücklich in den Kontext der deutsch-tschechischen Versöhnungserklärung mit einbezogen. "Das ist positiv und neu." Ebenso würdigte Schüssel die Erklärung Spidlas, wonach diese Teile der Nachkriegsgesetzgebung totes Recht darstellen.Bisherige Erklärungen von tschechischer Seite seien vertieft worden.

Angesprochen auf das Faktum, dass in Tschechien ein Verfassungsgesetz geplant sei, dass die Unantastbarkeit von Eigentum garantiert, sagte Spidla nur kurz: "In erster Linie ist zu sagen: Alle vermögensrechtlichen Fragen sind abgeschlossen." (APA, red/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2003)