Vor wenigen Wochen versagte dem 47 Jahre alten Detlef L. das Herz, jetzt spaziert er durchs Krankenhaus und denkt ans Wandern. Seine Rettung befindet sich in einer schwarzen Tasche, die er wie eine Fotoausrüstung umgehängt hat. Darin sind ein Netzgerät und zwei Akkus, auf einem Display steht eine Zeitangabe. Ein Schlauch führt von der Tasche hinein in den Bauch des Patienten. Die eigentliche technische Leistung findet aber im Inneren des Körpers statt: Dort nämlich nimmt eine zehn Zentimeter lange, 200 Gramm schwere Pumpe dem schwachen Herz die Arbeit ab. Incor, wie die in Berlin entwickelte Pumpe heißt, gilt als medizintechnische Sensation. Nicht nur, dass Herz und Kreislauf schwer kranker Patienten entlastet werden, mit der Pumpe lässt sich auch ein vergleichsweise unbeschwertes Leben führen.

Das ist es auch, worauf die Entwicklung im Kunstherzbereich abzielt. Zwar werden die Transplantationsverfahren immer besser, fünfzig Prozent der Patienten sind zehn Jahre nach ihrer Operation noch am Leben. Es gibt jedoch immer weniger Spenderherzen, in Deutschland zum Beispiel stehen im Jahr etwa 400 Organe zur Verfügung, zuvor waren es 600.

Als man vor etwa fünfzig Jahren mit künstlichen Herzen zu forschen begann, wurde das echte Herz noch ersetzt. Damit kam man nicht weit, man ging dazu über, Systeme zu entwickeln, die das Herz unterstützen. Das waren erst pneumatisch angetriebene Pumpen, die außerhalb des Körpers lagen und eine Apparatur erforderten, die so groß war wie ein Kühlschrank. In den 90ern war man dann so weit, Pumpen in den Körper zu verpflanzen. Das Prinzip Pumpe hat einen Nachteil: Durch die Reibung kommt es zu Verschleißerscheinungen, nicht zuletzt ist das Pumpgeräusch sehr deutlich zu hören, das irritiert vor allem die Umgebung des Patienten.

Das Neuartige an der Axialpumpe Incor ist nun, dass mit hohem Druck ein ständiger Blutfluss erzeugt wird, es sich also eher um ein Strömen handelt als ein Pumpen; der Patient hat keinen fühlbaren Puls mehr. Angetrieben wird das System durch einen Rotor, der - auch das ist eine Neuerung - nicht auf mechanischen Lagern liegt, sondern auf einem Magnetfeld schwebt. Dadurch entfallen sowohl die Reibung als auch die Wärmebildung - Abnutzung und Energieverbrauch sind geringer als bei anderen Modellen.

Wartezeit überbrücken

Zwar kann ein Herz aus Titan und Kunststoff ein echtes Herz nicht ersetzen. Mit der Axialpumpe Incor, die am Deutschen Herzzentrum Berlin gemeinsam mit der Firma Berlin Heart entwickelt wurde, kann aber die Wartezeit auf eine Transplantation überbrückt werden, die viele Herzpatienten ohne Pumpe gar nicht erleben würden. Schon die weltweit erste Verpflanzung im Juni 2002 verlief gut: Bei einem Patienten, der an Herzmuskelentzündung erkrankt war, entlastete das künstliche Herz das natürliche so weit, dass die Pumpe nach sechs Monaten entfernt werden konnte, erzählt Roland Hetzer, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin.

Seit März diesen Jahres ist Incor für den europäischen Markt zugelassen. Inzwischen wurde sie 47-mal eingepflanzt. Die Erfahrung zeigt, dass der Alltag mit dem künstlichen Herzen nicht so problematisch ist, wie man es sich vielleicht vorstellen könnte: Die beiden Batterien in der Tasche, die die Pumpe antreiben, arbeiten je zwölf Stunden, auf dem Display ist die verbleibende Zeit abzulesen. Piepst es, muss der Patient den Akku wechseln, nachts kann man das Gerät wie ein Handy direkt an das Stromnetz anschließen. Die Handhabung sei einfach, auch an den Schlauch im Bauch gewöhne man sich, meint Detlef L. Wenn es Probleme gibt, kommt der Computertechniker. Man kann sich normal bewegen, selbst Autofahren oder Büroarbeit sind möglich, sagt Hetzer.

Doch am Ende ist die Entwicklung damit nicht. Alles wird kleiner und leichter, das ist bei der Herzpumpe nicht anders als beim Handy. So soll demnächst auch die Energieversorgung im Inneren des Körpers stattfinden, meint Johannes Müller, Arzt am Herzzentrum und Vorstand von Berlin Heart. 2005 will man so weit sein. Eine Spule zur Energieerzeugung könnte unter die Haut verpflanzt, eine andere an der Hautoberfläche angebracht werden, dann bräuchte es auch keine Schläuche und Taschen mehr. (Verena Mayer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.6. 2003)