Betrifft: "Die Landesmeister der Friedman-Jagd", DER STANDARD, 24. 6. 2003

***

Herr Czernin hat es sich sehr einfach gemacht, die deutschen Medien in Bausch und Bogen zu verdammen und n-tv als Hauptquelle für die "öffentliche Hinrichtung" anzuführen. Dass korrekt zitiert wird, gesteht Herr Czernin zwar eingangs zu. Eigentlich fehlte ihm, genau betrachtet, nur ein Fragezeichen im Titel einer Teletextmeldung. Aber offenbar hat Herr Czernin kein besseres Beispiel gefunden, also flüchtet er sich in die Generalisierung. Er wirft den deutschen Medien pauschal vor, sie "begeilen sich an angeblichen Fakten".

Das Interview mit dem Stern-Chefredakteur erwähnt Herr Czernin, weil es in seine Argumentation passt. Wer von den anderen Genauigkeit einfordert, sollte sich auch selbst darum bemühen. Es war der stellvertretende Stern-Chefredakteur - ein Unterschied, der einem Journalisten geläufig sein sollte. Dass Michael Naumann, ehemaliger Kulturstaatsminister, "im Nachrichtensender n-tv von einem Skandal" sprach, da "der ermittelnde Staatsanwalt offenbar einige Medien im Voraus informiert" habe, verschweigt er. Zum Glück ist die Naumann-Äußerung - korrekt - an anderer Stelle im STANDARD zitiert worden. Es kommen also nicht nur "Landmeister der Friedman-Jagd" bei n-tv auf Sendung, wie es der Gastkommentar unterstellt.

Offensichtlich ist der frühere Herausgeber des profil vom tagesaktuellen Geschehen schon so weit entfernt, sonst würde er nicht eine Art Berichterstattungsverbot zur Causa Friedman fordern.

Anders als von Herrn Czernin insinuiert, spielt auch nicht der Glaube des angeblich "Hingerichteten" eine Rolle. Herr Friedman ist eine Person des öffentlichen Lebens in Deutschland: Er ist TV-Moderator, CDU-Politiker und Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Über die Vorwürfe, Drogen konsumiert zu haben, gegen den Liedermacher Konstantin Wecker oder den Skispringer Andreas Goldberger haben auch die österreichischen Medien ausführlich informiert, also "öffentlich hingerichtet", um im Sprachgebrauch von Herrn Czernin zu bleiben. Für sie galt die von Herrn Czernin geforderte Zurückhaltung offenbar nicht, auch nicht im profil. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2003)