Erstmals muss sich ein der Menschenrechtsverletzungen beschuldigter Offizier einer lateinamerikanischen Diktatur in einem Drittland verantworten: Während der argentinischen Militärherrschaft (1976-1983) war Ricardo Miguel Cavallo der Mechanikschule der Marine, einem berüchtigten Folterzentrum, zugeteilt. Zeugen erinnerten sich später an den Offizier mit Spitznamen "Serpico".

Untersuchungsrichter wollte Auslieferung

Aufgrund von 22 Aussagen, die den zum Ende der Militärdiktatur nach Mexiko ausgewanderten Unternehmer Cavallo als Folterer Serpico identifiziert hatten, beantragte der Madrider Untersuchungsrichter Baltasar Garzón vor drei Jahren die Auslieferung des ehemaligen Korvettenkapitäns. Anders als im Fall des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet, der aufgrund eines Garzón-Haftbefehls in London festgenommen und nach monatelangem Hausarrest aufgrund eines medizinischen Gefälligkeitsgutachtens in die Heimat abgeschoben wurde, stimmte die mexikanische Justiz der Auslieferung nach Spanien zu. Ein Einspruch Cavallos wurde höchstrichterlich abgelehnt.

Der 52-Jährige wurde in der Nacht zum Sonntag nach Madrid geflogen. Garzón verlas ihm umgehend die Anklageschrift, in der ihm Völkermord und Terrorismus, das Verschwinden von 227 Menschen, sowie Entführung und Folter in 110 weiteren Fällen zur Last gelegt werden. (Josef Manola aus Madrid/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2003)