Wien - You never know. Mag sein, Frank Stronach wird sich in der Politik ein Denkmal setzen. Im Sport hat er es verabsäumt. Siehe Fußball, vor allem aber: siehe Pferde. Man kann sich nur ausmalen, wie gut die Wiener Rennbahnen dastehen würden, hätte Stronach sein Geld in Krieau und/oder Freudenau investiert und nicht ins Magna Racino in Ebreichsdorf. In der Freudenau findet seit Jahren kein Galopprennsport mehr statt. Der Krieau und den Trabern geht es zwar deutlich besser, von echter Blüte kann aber auch nicht die Rede sein.

Im Gegensatz zur Freudenau und auch zu Ebreichsdorf verfügt die Krieau, das ist ein großes Plus, über einen direkten U-Bahn-Anschluss. Sieben Minuten Fahrzeit sind es vom Schottentor, drei Minuten vom Praterstern. Kein Wunder, dass die Gegend auch immobilientechnisch interessant ist. Nebenan sind die neue Wirtschaftsuniversität und das Viertel zwei, das u. a. die OMV beherbergt, aus dem Boden gewachsen. Zuletzt wurde Richtung Uni hin die Rennbahn verkürzt. Diesen Sonntag sollte wiedereröffnet werden, doch der Umbau, bei dem 25.000 Kubikmeter Erde bewegt wurden, hat sich verzögert, deshalb weicht der Wiener Trabrennverein (WTV) vorerst nach Baden aus. Auch das Hunyady-Memorial (30. September) ist nicht gesichert, eine terminliche oder lokale Verlegung (nach Ebreichsdorf) steht im Raum.

Das durch die Bahnverkürzung neu entstandene Areal dürfte über kurz oder lang bebaut werden. Eigentümer ist die Developergruppe der IC Projektentwicklung, die für das Viertel zwei verantwortlich zeichnete. Ihr hat die Stadt Wien eine Option eingeräumt, die auch das Gelände der Stallungen und Tribünen umfasst, die Option wurde gezogen, trotz der Tatsache, dass der Trabrennverein über einen Dauerpachtvertrag auf 25 Jahre verfügt. "Und diese Pacht", sagt WTV-Vizepräsident Peter Truzla, " ist auf unseren Wunsch immer wieder verlängerbar."

Eigentümer und Pächter stehen, wie beide betonen, in gutem Einvernehmen, die Rennbahn sollte erhalten bleiben und sich möglichst selbst erhalten. Ein guter Teil der Stallungen für aktuell circa 200 Pferde, das Verwaltungsgebäude, die drei Tribünen und der Richterturm stehen seit 1991 unter Denkmalschutz, wobei von den Tribünen nur eine um die Jahrtausendwende renoviert wurde und genützt wird. Doch handelt es sich durch die Bank um historische Bauten, sie wurden 1911 bis 1913 nach Plänen der Otto-Wagner-Schüler Hoppe, Kammerer und Schönthal errichtet. Laut Friedrich Dahm, Landeskonservator am Bundesdenkmalamt (BDA), sind die zwei unrenovierten Tribünen "in keinem sehr guten Zustand, aber nicht gefährdet". Jede geplante Veränderung bedürfe einer Genehmigung, doch beim BDA liegt kein Antrag vor.

Neue Distanzen

Spannend wird, wie sich die kürzere Bahn (1000 statt 1100 m) auf die Rennen auswirkt. Das Derby 2013 wird auf 2600 Meter (früher 2300) gestartet werden. Die erhöhten Kurven könnten die Rennen zusätzlich dynamisch machen. Das alles wird freilich noch keine Zusehermassen in die Krieau locken. Der Pferderennsport hat fast europaweit zu kämpfen, sein größtes Problem ist die (Internet-)Konkurrenz auf dem Wettspielmarkt. Von 2008 bis 2011 haben sich im österreichischen Pferderennsport die Wetteinnahmen beinah halbiert.

"Wir sind punkto Glücksspiel der Greißler ums Eck", sagt WTV-Vizepräsident Truzla. Und jene, die lieber zum Greißler gehen, werden älter, und sie werden weniger. Der Trabrennverein will gegensteuern, will "Familien auf den Rennplatz bekommen", wie WTV-Generalsekretär Thomas Kancnyr sagt. Kinderspielplätze, Ponyrennen, Stallführungen, Schnupperfahrten, Doppelsulkyrennen und Autocorsos sollen helfen, das Publikum quasi zu verjüngen.

Ganz sicher hilft eine Partnerschaft mit PMU, dem staatlich kontrollierten Wettgiganten in Frankreich. Dort boomt der Pferderennsport nach wie vor, Frankreich ist die große Ausnahme, das hat zwei Hauptgründe. Erstens ist das Pferd ein französisches Kulturgut, zweitens hat sich Frankreich bis vor kurzem erfolgreich gegen die Öffnung des Wettmarkts gewehrt. Nun, da das Monopol gefallen ist, ist auch PMU auf der Suche nach Partnern, obwohl es in Frankreich zig Rennbahnen mit zig Renntagen gibt. Das Hunyady-Memorial wird bereits seit einigen Jahren aus der Krieau übertragen, im Vorjahr setzte PMU mit diesem einen Rennen 350.000 Euro um. Drei Prozent davon flossen an den Wiener Trabrennverein, der 2013 an drei Renntagen je sechs Rennen von PMU übertragen lassen wird. An "normalen" Renntagen mit elf Rennen setzt der WTV insgesamt 60.000 Euro um.

Neue Einnahmen

Ungleich höher sind die Einnahmen aus einer anderen Quelle. Dass die Krieau als Veranstaltungsgelände etwas hermachen kann, sah man am 11. August beim Auftritt von David Guetta und anderen DJs vor mehr als 30. 000 Zusehern. Null Sicherheitsprobleme, kaum Beschwerden - und der WTV lukrierte einen sechsstelligen Betrag. 2013 sind vier oder fünf ähnliche Events geplant. "Lauter junge Menschen", sagt WTV-Generalsekretär Kancnyr. "Viele von ihnen sind zum ersten Mal auf einer Rennbahn, da könnte schon etwas hängenbleiben." Mag sein, es ergibt sich am Ende sogar eine Umwegrentabilität. You never know. (Nilolaus Dolenz, Fritz Neumann, DER STANDARD, 14.9.2012)