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Barbies und Kens gehe es primär ums Geld.

Foto: APA/Daniel Karmann

Immer wieder interessant, was große europäische Konzerne so alles bewegt: Da verabschiedet sich bei der Deutschen Telekom AG ein Vorstand mit 62 Jahren in den wohldotierten Ruhestand und setzt sich bei dieser Gelegenheit noch einmal so richtig kritisch mit dem Führungsnachwachs auseinander. Sein ganz besonderes Augenmerk gilt dabei den Absolventen von MBA-Schulen: Er nennt sie "Barbies und Kens im Businesslook" und meint das weder niedlich noch nett.

Mit diesen Barbies und Kens geht er vernichtend hart ins Gericht: Aus seiner Sicht fehle es ihnen an Loyalität - sie wollen sich nicht über einen längeren Zeitraum und erst recht nicht emotional an ein Unternehmen binden. Vielmehr sehen sie sich fälschlicherweise als absolute Spitzenkräfte, die dort arbeiten wollen, wo es ihnen Spaß macht und wo sie interessante Aufgaben sehen. Zudem gehe es diesen Barbies und Kens primär um Macht und Geld: Sie wollen rasch und hoch aufsteigen, wollen persönlich weiterkommen, und sie wollen sehr gut verdienen.

Mangelnde Treue?

Auch wenn man jetzt rasch darauf hinweisen kann, dass es in Österreich weder solche Vorstände noch solchen Führungsnachwuchs gibt, bietet es sich an, diese Aussagen näher zu betrachten. Denn egal, welche empirische Basis hinter seiner Aussage steckt und auf welche Hochschulabsolventen er sein Urteil bezieht: Ist es nicht irritierend grotesk, wenn ein Top-Vorstand genau diese spezifischen Merkmale kritisiert?

Können Vorstände überhaupt noch Loyalität von Mitarbeitern erwarten, wenn Unternehmensleitungen, getrieben von simplem Shareholder-Value-Denken, brutale Kündigungswellen lostreten, also das Wort "Loyalität" im Umgang mit eigenen Mitarbeitern nicht kennen? Und können Vorstände sich über mangelnde "Treue" beklagen, wenn sie öfters auch einmal gerade fünf Jahre bleiben?

Das Einstiegsgehalt für Nachwuchsführungskräfte bei der Deutschen Telekom liegt bei rund 48.000 Euro pro Jahr; ein Telekom-Vorstand bekommt rund zwei Millionen Euro pro Jahr. Bei wem geht es also tatsächlich ums Geld?

Absolutes Machtstreben

Und wenn man in den Biografien von Vorständen liest, so scheint eines ihrer zentralen Persönlichkeitsmerkmale das absolute Machtstreben zu sein: Nur so kommen sie an die wohldotierten Fleischtöpfe heran, und nur so sichern sie sich auch ihren aufwändigen Lebensstil. Gerade deshalb ist es paradox, wenn sich Vorstände darüber aufregen, dass vielleicht auch andere unter Verzicht auf Loyalität nur nach Macht und Geld streben könnten. Was aber noch mehr irritiert: Viele dieser Vorstände sind trotz ihres Machtstrebens, ihrer fehlenden Loyalität und ihrer ausufernden Gehälter allgegenwärtig in den Medien und glorifizieren sich als Rollenmodelle für die Jugend.

Wäre es dann aber nicht irgendwie verständlich, wenn in der Arbeitswelt der Zukunft immer weniger Jugendliche über eine nachhaltige, sozial verträgliche sowie ökologisch vertretbare Zukunft nachdenken und sich stattdessen "Barbie und Ken im Businesslook" zum Vorbild nehmen? (Christian Scholz, STANDARD, 15./16.9.2012)