Wien - Das Leben der wunderbaren Chansonniere Greta Keller (1903-1977) besitzt alle Zutaten, um auch wirklich von André Heller erfunden worden zu sein. Eine Wiener Industriellentochter macht internationale Karriere: Die Keller elektrisiert die Jazz-Liebhaber in Wien, Berlin, Paris und London; sie kehrt Nazi-Europa den Rücken und nimmt Superstars wie Sinatra und Bernstein für sich ein. Eine zu Unrecht vergessene Riesin des gehobenen Unterhaltungsgewerbes. Eine schöne Aufgabe für Andrea Eckert, im Volkstheater in die Umrisse eines kosmopolitischen Stars zu schlüpfen.

Leider krankt das Auftragswerk "Bon Voyage" von Autor und Regisseur Rupert Henning, nach einer Idee von Heller, an dramaturgischer Überbelichtung: Die Idee, die zauberhaft mondän und zerbrechlich singende Eckert auch noch eine gestandene Wiener Proletarierin spielen zu lassen, ist des gut Gemeinten deutlich zu viel. Einwände wie dieser tun aber nicht wirklich etwas zur Sache: Eckert beherrscht eine Bühne, die den Tingeltangel-Salon mit einem Hochseeschiff und einem Dachboden-Auslug kreuzt. Sie setzt diese Seelenlandschaft unter Strom. Und demonstriert als Liedkünstlerin die Einswerdung von Kunst und Kolportage, Groschenheft und Tragödienernst. (Ronald Pohl /DER STANDARD, 15.9.2012)