Link endlich in seiner vollen Pracht

Foto: Nintendo

Ich war am Freitag zu Gast bei Microsoft. Der Softwareriese hatte nach München in die Allianz Arena eingeladen, um sein diesjähriges Line-up an exklusiven Xbox 360-Spielen zu präsentieren. Oder zumindest einen Teil davon - "Halo 4" wird ein eigenes Event gewidmet. Zu spielen waren "Dance Central 3", "Nike+ Kinect Training", "Fable: The Journey" und "Forza Horizon". Drei Kinect-Spiele, ein Controller-gesteuertes Game.

Es muss so nach den ersten 15 Minuten mit "Fable: The Journey" gewesen sein, als mir klar wurde, weshalb ich mich mittlerweile wie ein kleines Kind auf Nintendos neue Spielkonsole Wii U freue.

Krampfhaft

15 Minuten lang war ich damit beschäftigt, imaginäre Zügel zu halten, haltlos mit Links- und Rechtsbewegungen eine Kutsche zu steuern. Als ich dann dazu aufgefordert wurde, mit den Händen Zaubergesten in die Luft zu malen, stellte sich bei mir das gleiche Gefühl ein, das mich überkam, als ich das letzte Mal Wii gespielt hatte. Motion-Gaming, egal ob mit Wiimote, PlayStation Move oder Kinect wirkt so oft einfach nur aufgesetzt. Spiele, die mit einem Controller wirklich Spaß machen könnten, werden durch die Fuchtelsteuerung verballhornt. Klar, es gibt die "Wii Sports", die (Rail-)Shooter, Tanz- und Fitness-Games, bei denen die Bewegungssteuerung richtig viel Freude bereiten kann und nicht durch Sticks und Tasten zu ersetzen ist. Doch was in der Hochphase der Motion-Controller alles an Spielen krampfhaft produziert wurde, nur um einem Trend gerechtzuwerden...

Wiiisierung der Klassiker

Besonders tragisch fand ich, diese Entwicklung bei Nintendo mitansehen zu müssen. Nintendo, vielleicht die kreativste und vielseitigste Spielschmiede überhaupt, konzentrierte sich sechs Jahre darauf, seine großen Marken zu "wiiisieren". Der kommerzielle Erfolg der Wii gibt ihnen Recht, könnte man sagen. Doch im Nachhinein betrachtet, werde ich als Spieler, als Verehrer von Konsolen wie dem SNES, Gameboy und dem N64, die Ära der Wii kaum in Erinnerung behalten. Die Wii hat mich als Gamer, genauso wie Kinect und Move, verlockt, aber nicht für sich gewinnen können.

Erlösung

Als am Donnerstag im Schatten des iPhone 5-Wahns (ganz schlechter Zeitpunkt) endlich die finalen Spezifikationen und die Launch-Games der Wii U enthüllt wurden, fiel mir ein großer Stein vom Herzen. Was da an Spielen gezeigt wurde, bestätigt, dass Nintendo endlich vom Motion Gaming-Bann befreit ist. Von starken Hardcore-Werken wie "Bayonetta 2" abgesehen, verdeutlicht allein die neue Mini-Games-Sammlung "NintendoLand", dass der Fokus nun wieder ganz auf das Gameplay selbst gerichtet ist. Es geht endlich wieder um die Inhalte und nicht darum, wie man Videospiele so umformen kann, damit sie auch die Großmutter und das Neugeborene erleben können.

Mario und Link in HD!

Wie berichtet, kann der neue Tablet-Controller vor allem das Spiel mit Freunden bereichern. Die Entwickler haben hiermit eine Chance auf Gameplay-Innovationen, ohne zu viele funktionale Kompromisse eingehen zu müssen.

Und nicht zuletzt stimmt mich ein Gedanke besonders freudig: Mit der Wii U werden "Zelda" und "Super Mario", diese fantastischen Welten und Charaktere, endlich in HD zu bestaunen sein. Vielleicht ist das oberflächlich, doch für mich waren Nintendos talentierte Designer und Grafiker zu Wii-Zeiten wie Perlen vor die Säue geworfen. Es ist längst Zeit, Link, Wario und Donkey Kong in ihrer vollen Pracht erstrahlen zu lassen.

Wird's ein Kassenschlager?

Es drängt sich natürlich die Frage auf, ob die Wii U das Zeug dazu hat, an die Erfolge der Wii anzuknüpfen. Aber was heißt schon Erfolg? Kommerziell wird Nintendo mit der Wii U den Erfolg nicht reproduzieren können. Dafür ist das Tablet-Konzept zu komplex. Es wird viel Zeit und Geld benötigen, um dem Massenmarkt die Möglichkeiten des asynchronen Spielens verständlich zu machen. Den Trick der Wii hat jedes Kind in einer Sekunde verstanden. Spielerisch dürfen Nintendo-Fans hingegen auf eine deutliche Steigerung hoffen. Nachdem aus Motion-Gaming die Luft draußen ist, sind die Entwickler wieder gezwungen, durch Inhalte und Kreativität zu begeistern.

Spannende Jahre für Nintendo-Fans

Spielern stehen jedenfalls spannende Jahre bevor. Die Wii U wird kein leichtes Spiel für Nintendo sein. Für 299 oder 349 Euro in der sinnvolleren Premium-Ausstattung ist sie teurer als Xbox 360 und PlayStation 3 und erfindet dabei das Rad - selbst mit Tablet-Controller - nicht neu. Gleichzeitig weiß die Kernspielerschaft, dass die nächste Konsolengeneration mit PS4 und Xbox 720 bereits Ende 2013 oder Anfang 2014 eingeläutet wird. Und die vielen Casual-Gamer der Wii werden mittlerweile von billigen Tablet- und Smartphone-Games umgarnt. Der Zug ist abgefahren.

Nintendo wird sich daher mächtig ins Zeug legen müssen, um die Spieler, ja die Spieler, wieder für sich zu gewinnen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 15.9.2012)

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