Wien - Unter dem Titel "Warum der Iran die Bombe bekommen sollte" argumentierte der berühmte US-Politikwissenschafter Kenneth Waltz jüngst im Magazin Foreign Affairs für eine nukleares Gleichgewicht im Nahen Osten. Eine iranische Atombombe könne für Stabilität sorgen und sei deshalb "das bestmögliche Resultat".
David Holloway, Professor an der Universität Stanford und Experte für die Geschichte von Atomwaffen, widerspricht im Gespräch mit dem Standard. "Die Abschreckung zwischen der Sowjetunion und den USA bestand nicht nur aus den Waffen, sondern auch aus einem gemeinsamen Verständnis darüber, was ein nuklearer Krieg bedeuten würde." Daraus hätten sich Verhandlungen und Arrangements wie die Einrichtung einer Hotline ergeben.
Das sei bei Iran und Israel nicht automatisch gegeben. Die Gefahr, dass im Falle einer iranischen Bombe eine der beiden Seiten zu dem Schluss komme, besser als Erster loszuschlagen, sei groß. "Das sehen wir jetzt schon." Um Waffen weniger gefährlich zu machen und die Angst auf beiden Seiten zu reduzieren, müssten sich die Länder bemühen, ihre Beziehungen zu stabilisieren, "indem sie ein gemeinsames Verständnis und gegenseitige Beziehungen entwickeln", sagt Holloway. "Das folgt nicht automatisch aus der Existenz der Waffen."
"Was wir derzeit sehen, ist: Die Aussicht auf Nuklearwaffen wirkt destabilisierend", meint Holloway, der ab heute, Montag, in Wien an einer Konferenz zur Geschichte der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) teilnimmt, zur aktuellen Lage. Auch reiche eine kleine Anzahl von Atomwaffen zur Abschreckung womöglich nicht aus. "Im Kalten Krieg wurde Abschreckung erst als stabil wahrgenommen, als beide Seiten tausende Nuklearwaffen hatten." (raa/DER STANDARD, 17.9.2012)