Es gab eine Zeit, da waren Rennspiele die Zugpferde der Spielkonsolen. Die PlayStation wurde mit "Gran Turismo" groß und die Xbox zog erfolgreich mit "Forza Motorsport" nach. Der Markt für knallharte Rennsimulationen existiert heute immer noch, doch die Zeiten haben sich geändert. Neue Zielgruppen warten darauf, angesprochen zu werden und Genregrenzen verschwimmen zunehmend.
Nach sieben Jahren Simulation hat sich Turn 10, das Team hinter "Forza Motorsport" deshalb dazu entschieden, zu experimentieren und die Entwicklung eines neuen Rennspielerlebnisses in Kooperation mit Playground Games anzugehen. Am 26. Oktober erscheint "Forza Horizon" für Xbox 360.
Offene Rennspielwelt
"Forza Horizon" weicht den Simulationscharakter vorheriger Werke der Serie auf und bietet Autonarren anstelle dessen eine offene Rennspielwelt im Stile eines "Test Drive Unlimited". Als Rookie macht man sich im Golf auf zu einem Festival im US-Bundesstaat Colorado, um dort zwischen Rockkonzerten, Tuningshows und der ländlichen Idylle das motorisierte Vergnügen zu finden. Das gigantische Netz aus Landstraßen, Autobahnen und kleineren Wegen ist frei befahrbar und lädt dazu ein, Straßenrennen nach Belieben aufzusuchen. "Wir haben uns für 'Forza Horizon' entschieden, weil wir glauben, dass zu Autos mehr gehört, als Rennsimulationen.", so die Produzenten von Turn 10. "Roadtrips, Musik, Festivals sind Teil dieser Faszination."
Jeder kann Autofahren
Die Öffnung einer breiteren Spielerschaft gegenüber fühlt man in den ersten paar Metern hinter dem Steuer eines der Vehikel. Vielleicht nicht ganz mit der gleichen Finesse von "Forza Motorsport 4" sehen die Fahrzeuge und Landschaften in "Horizon" aber ebenfalls kitschig traumhaft aus. Doch die Handhabung der teils vor PS strotzenden lizenzierten Autos ist ungleich leichter ausgefallen, zumindest in der Grundeinstellung. Denn die Entwickler betonen, dass Fahrhilfen abgeschaltet werden können und die gleiche Physik-Engine wie in "FM4" zugrunde liegt. Doch bei der ersten Probefahrt wurde auch ohne ABS und Co. deutlich, dass waghalsige Fahrstile gut und gern verziehen werden und Hindernisse wie Stopp-Tafeln oder Wegweiser wie Pappmaschee-Sessel in Western explodieren. Und sollte doch etwas schief gehen, kann man immer noch zurückspulen und das misslungene Manöver erneut angehen.
Mehr Abwechslung
In "Horizon" geht es um den Spaß am Flair und wilden Drifts. Grafische Effekte und ein optisches Schadensmodell lassen die Rennen auf verschiedenen Fahrbelägen immerzu spektakulär aussehen. Mann hat sich klar von beliebten Franchises wie "Burnout" oder "DiRT" inspirieren lassen, um den sterilen Look von"Forza" aufzulockern. So lassen sich dank Gegenverkehr etwa teils heftige Unfälle produzieren. Nur gut, dass die Fahrer unverwundbar sind. Wäre auch zu schade: Colorado bietet mit Seen, Bergen und romantischen Sonnenuntergängen jede Menge Sehenswürdigkeiten.
Tag/Nacht-Wechsel sorgen für die passende Stimmung bei Start-Ziel-Rennen und der Suche nach seltenen Fahrzeugen. Wetterumbrüche gibt es leider keine. Über das Autoradio trällert die bevorzugte Begleitmusik vom flotten Drum'n'Bass bis zu Heavy Metal. Individualisierung wird wie gehabt groß geschrieben: Aufmotzen, Tunen, Umlackieren gehört zum Gesamtpaket dazu.
Herausforderungen
Über Xbox Live darf man gegen Freunde antreten und auch zeitversetzt wetteifern. So sieht man bei jeder Herausforderung, welche Leistungen die Mitstreiter abgelegt haben. Ranglisten heizen die Jagd nach der Bestzeit an.
Spieler von "Forza Motorsport 3" und "FM 4" können ihren Spielstand importieren und erhalten dafür vorab schnittige Flitzer. Zusätzlich zu den dutzenden Boliden im Spiel will Turn 10 jeden Monat weitere Auto-Pakete per Download anbieten. Im Jänner werde bereits die erste umfassende Erweiterung folgen. Ob das Experiment "Forza Horizon" von den Fans angenommen wird, muss sich zeigen (ab 2. Oktober steht eine Demoversion bereit.). Geht es nach Turn 10 soll "Forza" zum echten Massenmarkt-Franchise ausgebaut werden. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 21.9.2012)