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Vor wenigen Jahren entdeckt und bereits massiv vom Aussterben bedroht: das Tarzan-Chamäleon (Madagaskar)...

Foto: APA/EPA/Marshall

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...und Java-Nashorn (Indonesien).

Foto: Reuters/WWF-Ujong Kulon National Park

Manche könnten relativ einfach gerettet werden, wenn ihre begrenzten Lebensräume erhalten werden.

 

Auf den ersten Blick sieht das Geschöpf nicht sehr spektakulär aus. Grüne Haut, vier dünne Beinchen und ein langer, beweglicher Schwanz: Calumma tarzan, ein Chamäleon wie tausende andere auch? Nicht ganz. Dieses Reptil wurde erst 2010 in den Bergen an der Ostküste Madagaskars entdeckt und gilt dennoch bereits als eine der am stärksten gefährdeten Tierspezies der Welt. Sie ist eine von insgesamt 100 Arten, welche die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) zusammen mit zwei weiteren Naturschutzorganisationen in einer einschlägigen Publikation vorgestellt hat. Fische sind darunter, Säuger, Insekten, Orchideen und Pilze.

Calumma tarzan wurde zunächst in einem kleinen Waldrest in der Nähe des Dorfes Tarzanville gefunden. Das Areal ist nur anderthalb Kilometer lang und rund 300 Meter breit. Der umliegende Wald fiel bereits Rodungen zum Opfer. Die Tarzan-Chamäleons leben in den Bäumen. Sie ruhen nachts und lassen sich dann relativ leicht mit Scheinwerfern aufspüren. Normalerweise sind die Tiere eher unscheinbar grün gefärbt, doch wenn sie unter Stress geraten, zeigen sie typische Streifenmuster - Längsstreifen die Weibchen, diagonal gestreift die Männchen.

Diese Stressfärbung dient nicht in erster Linie der Tarnung, sondern als Kommunikationsmittel, sagt Philip-Sebastian Gehring. "Chamäleons sind die totalen Augentiere." Mit den Farbmustern zeigen sie einander ihren jeweiligen Gemütszustand, Aggression oder sexuelles Interesse, erklärt der Zoologe.

Gehring ist Wissenschafter an der TU Braunschweig und hat C. tarzan zusammen mit einigen Kollegen entdeckt. Die Forscher führen in den Bergwäldern im Osten Madagaskars regelmäßig Suchexpeditionen durch, denn die Artenvielfalt ist hier erstaunlich hoch. Wie auf der gesamten Insel. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben. "Man hat auf relativ kleiner Fläche sehr unterschiedliche Habitate", erläutert Gehring. Es gibt Regenwälder, Trockensavannen und vieles mehr. An den steilen Berghängen ist die Höhenzonierung besonders ausgeprägt. Jede Stufe hat ihre charakteristische Vegetation.

Die Vielfalt ist gleichwohl akut bedroht. Madagaskar hat eine der stärksten Entwaldungsraten weltweit, und viele Arten kommen ausschließlich in sehr begrenzten Arealen vor. So auch das Tarzan-Chamäleon. Neben dem bereits erwähnten Erstfundort wurde es bislang nur noch in zwei weiteren Waldstücken gefunden.

Gehring zeigt sich dennoch vorsichtig optimistisch. Die verbleibenden C. tarzan-Populationen scheinen stabil und gesund zu sein, erklärt er. Der Erhalt ihrer Habitate dürfte für ihr Überleben zumindest vorerst ausreichen. "Wir können dort mit sehr kleinen Waldflächen erfolgreichen Artenschutz betreiben." Eine Naturschutzorganisation plant bereits, die Waldreste aufzukaufen, um sie vor weiteren Schäden zu schützen und interessierten Ökotouristen zugänglich zu machen.

Scheues Java-Nashorn

Für das Java-Nashorn (Rhinoceros sondaicus) sieht die Lage schwieriger aus. Diese Tiere kommen nur noch im Ujung Kulon Nationalpark an der Westspitze der indonesischen Insel Java vor. Und auch dort zeigen sie sich fast nie. "Es gibt über Java-Nashörner nur ganz wenig Informationen", sagt Wildbiologe Chris Walzer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. "Das Zählen, das Abschätzen der Populationsgröße ist sehr schwierig." Die Tiere leben tief im dichten Tropenwald, sagt der Nashornexperte. Sie lassen sich nur mit großem Aufwand aufspüren. IUCN-Spezialisten schätzen die Gesamtpopulation des Java-Nashorns in Ujung Kulon auf 40 bis 60 Exemplare.

Das könnte zu hoch gegriffen sein. In den Jahren 2008/2009 führten Fachleute des WWF Indonesien und der Nationalparkverwaltung mit fest in Bäumen installierten Videokameras eine Volkszählung der Dickhäuter durch. Demnach dürfte die nur noch bei 29 bis 47 Tieren liegen. Es sind die allerletzten ihrer Art, denn in Zoos leben schon lange keine Java-Nashörner mehr.

Schwierige Nachzucht

Nachzuchtprogramme scheinen keine realistische Option zu sein, genauso wenig wie beim Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis). "Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie in Gefangenschaft praktisch nicht zu züchten sind", erklärt Walzer.

Es gibt jedoch Anzeichen eines langsamen Populationswachstums in Ujung Kulon. Walzers indonesischen Kollegen zufolge beträgt dieses etwa ein Prozent jährlich. Die Raumkapazität des Reservats ist aber begrenzt. Dementsprechend gibt es die Idee, einen Teil der javanischen Java-Nashörner nach Sumatra umzusiedeln. Dort gibt es in Schutzgebieten noch geeignete Lebensräume. Die Insel gehört zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet, das einst fast ganz Südostasien umfasste. Es wäre also quasi eine Wiederansiedlungsmaßnahme.

Die Idee bietet durchaus Chancen, meint Walzer. Schließlich könnte zum Beispiel eine Tierseuche den gesamten Restbestand auf einen Schlag auslöschen, wenn alle verbliebenen Java-Rhinos nur in einem Gebiet leben.

Die Nashornwilderei hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Ihr fiel 2010 auch das letzte Exemplar von Rh. sondaicus in Vietnam zum Opfer. Nach Sumatra umgesiedelte Tiere wären ebenfalls dieser Gefahr ausgesetzt. Am wichtigsten sei der umfassende Schutz des Ujung-Udong-Nationalparks und ein verbessertes Monitoring der dortigen Population, betont Walzer: "Man muss sich des Problems intensiver annehmen." (Kurt de Swaaf /DER STANDARD, 19.9.2012)