Die Fundamente des Gebäudes sind feucht, in den Räumen modert es unter dem Holzboden.

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Die Flüchtlingspension von innen: Auch rund um die Plastikfenster bildet sich immer wieder Schimmel.

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Hinter diesen Mauern leben im Güssing 18 Asylwerber. Die Behörden hatten bisher nichts zu beanstanden.

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Güssing/Wien - Im Innenministerium trafen einander vor wenigen Tagen die Flüchtlingszuständigen des Bundes und der Länder. Man habe die Ländervertreter "darauf hingewiesen, dass sie ihre Verantwortung und Aufnahmequoten erfüllen müssen", erzählt Hilbert Karl, Leiter der Ministerialabteilung Asyl und Betreuung aus der Sitzung des Koordinationsrats für die Grundversorgung.

Denn der Engpass bei den Flüchtlingsunterkünften droht sich zur Krise auszuwachsen: Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen warteten derzeit "900 Asylwerber auf Überstellung in ein Länderquartier", schildert Karl. Konkret sind das zwei Drittel der rund 1380 Menschen, die derzeit im Lager leben: für den Traiskirchner Bürgermeister Fritz Knotzer (SPÖ) viel zu viele.

Mit der Suche nach Quartieren, so händeringend sie auch sein mag, ist für das Innenministerium die Verantwortung für die Flüchtlingsunterbringung dann beendet. Die Qualität der Unterkünfte sei allein Sache der Länder, meint Ministerialbeamter Karl.

Aktenkundige Zustände

Also könne er auch die fragwürdigen Zustände in einer Flüchtlingspension im burgenländischen Güssing nicht kommentieren. Diese sind den zuständigen Behörden mindestens seit einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im diesjährigen Februar bekannt - und haben sich seither nur unwesentlich gebessert.

Doch während im April eine Unterkunft in einem desolaten ehemaligen Bordell im burgenländischen Sieggraben nach Medienberichten vom Land geschlossen wurde, leben in Güssing nach wie vor 18 Männer unter miesen Bedingungen: In einem Gebäude mitten im Ort, von dessen Fassade zum Teil der Verputz abgeschlagen wurde. Die Zimmer in dem Haus oberhalb eines Gasthofes sind feucht, unterm Holzboden modert es.

In den Zimmerecken, am Plafond und in Bodennähe bildet sich immer wieder Schimmel. Und getragene Schuhe müssen im Freien auslüften, sonst werden sie niemals trocken.

Ausschläge und Allergien bei Asylwerbern

"Zwar hat der Wirt die Wände neu ausweißen lassen. Aber das ändert nichts am Grundproblem", schildert Gerlinde Grohotolsky, Sprecherin der burgenländischen Plattform Bleiberecht. Vor kurzem, so erzählt sie, seien drei Männer, die seit ihrem Einzug an Ausschlägen und Allergien litten - einer von ihnen auch an Asthma und Gastritis - wegen der belastenden Situation woandershin verlegt worden: "Kurz darauf waren schon drei Neue da, Männer aus Pakistan." Die Grundversorgungsplätze sind auch im Burgenland knapp.

Vor drei Wochen eskalierte die Lage im desolaten Haus des, laut Eigenwerbung, "familienfreundlichen" Wirts. Fünfzehn der dort untergebrachten Afghanen, Iraker und Iraner machten sich zur Polizeiinspektion Güssing auf, um wegen der Zustände Anzeige zu erstatten: Auch die Essensrationen seien unzureichend. Laut Flüchtlingshelferin Grohotolsky wurden sie im Wachzimmer mit ihren Beschwerden an die Landes-Flüchtlingsabteilung verwiesen.

Der Güssinger Gasthausbetreiber, der pro Asylwerber am Tag 17 Euro erhält, wollte dem STANDARD zu den Vorwürfen auf Befragen nichts sagen. Während beim zuständigen Landesrat Peter Rezar (SPÖ) Büroleiterin Gerlinde Stern-Pauer auf mehrere Kontrollen der Bezirksgewerbebehörde hinweist "die alle nichts gefunden haben, was besonders abnormal oder auffällig gewesen wäre".

Der letzte folgenlose Besuch vom Amt habe erst vor eineinhalb Wochen stattgefunden - "aber nach neuerlichen Beschwerden wurde bereits eine weitere Kontrolle vereinbart". Um die Sachlage ein für allemal klarzustellen, plane jetzt auch die Landesflüchtlingsabteilung eine Begehung - "unangemeldet".

Fehlende Qualitätskriterien

Zwar, so Stern-Pauer, habe das Land mit jedem Quartiergeber vertraglich vereinbart, wie die Flüchtlingsunterbringung zu gestalten sei. Doch über landesweite Qualitätskriterien, wie sie etwa in Wien, Niederösterreich und der Steiermark existieren, diskutiere man erst.

Deren Beschluss will Flüchtlingshelferin Grohotolsky im Fall Güssing nicht abwarten: "Das Land muss das Quartier sofort schließen", fordert sie. Und auch der Bund sei hier in die Pflicht zu nehmen, ergänzt Grünen-Integrationssprecherin Alev Korun. Immerhin trage er die Kosten für die Grundversorgung zu 60 Prozent, also habe er die Pflicht, zu überprüfen, wofür das Geld ausgegeben werde - "im Burgenland ebenso wie in der derzeit geschlossenen 'Sonderanstalt' auf der Kärntner Saualm". (Irene Brickner, DER STANDARD, 19.9.2012)