Bild nicht mehr verfügbar.

Die "Unberührbaren" auf der Titelseite des Satireblattes "Charlie Hebdo": "Man darf sich nicht lustig machen", sagen Mohammed im Rollstuhl und ein den Rollstuhl schiebender orthodoxer Jude.

Foto: AP

Auch im Land selbst wird eine Protestwelle erwartet.

 

Zuerst der Anti-Islam-Film, jetzt die Mohammed-Karikaturen. Das französische Satireblatt Charlie Hebdo veröffentlicht in seiner jüngsten Ausgabe wie schon 2006 Zeichnungen des Propheten, die unter Muslimen für heftige Entrüstung sorgen und in der islamischen Welt zu einem neuen Flächenbrand sorgen könnten.

Verantwortlich für die Publikation ist Stéphane Charbonnier (45), Chefredakteur des frechen Wochenmagazins und Zeichner in diversen linken Blättern. Auf der Titelseite von Charlie Hebdo malt er Mohammed im Rollstuhl, den ein Jude schiebt; im Innern trägt der Prophet einen Schweinekopf und fragt den Regisseur des Schmähfilms Die Unschuld der Muslime, ob er auch damit Sex haben müsse. In einer anderen Karikatur betet Mohammed mit nacktem Hintern unter einem gelben - wohl jüdischen - Stern.

Der geschmacklos-schräge, traditionell provokative Humor nach Art von Charlie Hebdo sorgte am Mittwoch für reißenden Absatz, sodass ein Nachdruck lanciert wird. Aber nicht alle sind amüsiert. Der Rektor der Großen Moschee in Paris, Dalil Boubakeur, wetterte über die "Eseleien" und warf dem Blatt vor, nach den Mohammed-Karikaturen vor sechs Jahren rückfällig geworden zu sein.

Polizei schützt Redaktion

Hackerattacken hinderten am Mittwoch die Internetseite von Charlie Hebdo am Erscheinen. Die Polizei beschützte die Redaktionsräume, die Ende 2011 bereits einmal Ziel eines Brandanschlags geworden waren. "Charb", wie der Chefredakteur seine Karikaturen zeichnet, trat kurz vor die Tür. "Wenn man anfängt, sich zu fragen, ob man das Recht habe, Mohammed zu zeichnen, wird die nächste Frage sein, ob man das Recht habe, Muslime zu zeichnen, und dann, ob man noch Menschen zeichnen darf", sagte er, während zwei Leibwächter seinen Rücken deckten. "Am Schluss zeichnet man nichts mehr, und die Handvoll Extremisten in der Welt und in Frankreich hat gewonnen."

Auch dieses Argument vermochte nicht alle Franzosen zu überzeugen. Die Sprecher der Großparteien verurteilten die Veröffentlichung, nachdem sie die ersten Mohammed-Karikakturen 2006 zum Teil noch gutgeheißen hatten. Die Rechtsextremistin Marine Le Pen attackierte sowohl die Karikaturisten als auch die Muslime, die wegen ein paar "Wirrköpfen" das Land in Feuer und Asche legen wollten.

Diese Angst treibt auch die Regierung um. Außenminister Laurent Fabius bedauerte, dass das Blatt "Öl ins Feuer" gieße, und äußerte sich "besorgt" über mögliche Reaktionen in der islamischen Welt. In 20 Ländern schließt Frankreich seine Botschaften, Konsulate, Kulturzentren und Schulen für mehrere Tage oder zumindest am Freitag, dem Tag des islamischen Gebets. Diese "Vorsichtsmaßnahme" werde laufend "der aktuellen Situation angepasst".

In Paris empfing Innenminister Manuel Valls elf muslimische Würdenträger zu einer Aussprache. Moschee-Direktor Boubakeur erließ danach einen Appell zur Ruhe. Die gleiche Botschaft soll am Freitag auch in den französischen Moscheen verbreitet werden. Der muslimische Kultusrat Frankreichs (CFCM) verurteilte zwar die "islamophoben" Karikaturen, rief aber auch dazu auf, "sich nicht auf Provokationen einzulassen". Premierminister Jean-Marc Ayrault machte klar, dass keine Protestdemonstrationen bewilligt würden. Die Polizei bereitet sich in Paris trotzdem auf einen Großeinsatz vor. (Stefan Brändle aus Paris /DER STANDARD, 20.9.2012)