"Schnell! Schnell! Schnell! Zack! Zack! Zack!": Auch der Rücktritt der grünen Vorsitzenden Gabriela Moser habe nichts daran geändert, beschwert sich BZÖ-Mann Stefan Petzner schon in aller Herrgottsfrüh, dass die Regierungsparteien den U-Ausschuss nun möglichst rasch beenden wollen.
Mittwoch, 8.15 Uhr im Parlament, nach der ersten Aussprache der Fraktionsleiter bei Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ). Die Fraktionschefs von SPÖ und ÖVP, Otto Pendl und Werner Amon, wollen möglichst schnell an den wartenden Medienleuten vorbei. Die einzige Einigung, die dieser Frühtermin gebracht hat: Dass der Freiheitliche Walter Rosenkranz nun die Leitung im U-Ausschuss übernehmen soll. Der designierte neue Chef erklärt staatstragend: "Ich kann wie jeder Freiheitliche für eine objektive Vorsitzführung garantieren!"
Bevor die Mitglieder des U-Ausschusses um 9 Uhr ins Plenum eilen, wo eine Aktuelle Stunde der SPÖ zur Wehrpflicht ansteht, heißt es nur: Die nächste Krisensitzung zum U-Ausschuss stünde um 10 Uhr an.
Im Nationalratssaal vermasselt der Grüne Peter Pilz den Roten ihre Festspiele für ein baldiges "Profi-Heer". "Pendl und Amon haben uns heute Früh ein Ultimatum gestellt!", ruft er in den Saal. "Vier Beweisthemen sollen nun in vier Tagen durchgehudelt werden! Der Nationalrat befindet sich in einer Ausnahmesituation!"
Zur Unterstützung reißt die grüne Fraktion Plakate in die Höhe, auf denen Pendl und Amon "Vertuschung" vorgehalten wird. Der ganze Saal kocht.
Hässliche Gerüchte
In Lokal II steigt schon der nächste Gipfel zum U-Ausschuss. Vor der verschlossenen Tür machen hässliche Gerüchte die Runde. Dass die ÖVP zwar auf eine Weiterarbeit oder einen Neustart des U-Ausschusses gedrängt haben soll. Aber dass Kanzler Werner Faymann (SPÖ) seinem Vize Michael Spindelegger (ÖVP) noch in der Nacht klargemacht habe, dass der U-Ausschuss mit dem heutigen Tag abgedreht wird - ansonsten gibt es Neuwahlen.
Die Tür geht auf - und Pendl wie Amon verlassen die Sitzung. "Gut Ding braucht Weile", brummt der SPÖ-Mann nur. Amon wird deutlicher, warum der U-Ausschuss jetzt nicht weiterarbeiten kann: "Der Herr Kollege Pilz will, dass wir für die Inseratenaffäre sechs, sieben Tage aufwenden. Wahrscheinlich will er dazu den Kanzler drei Tage lang befragen!"
Die nach dem Moser-Rücktritt wiedervereinte Opposition versichert, drinnen "konstruktive Gespräche" (Petzner) geführt zu haben, die "den Zeitplan, die Ladungsliste und die Aktenlieferung" (Rosenkranz) betrafen. Die nächste Besprechung stünde um elf Uhr an. Warum man denn dann keine Einigung verkünden könne? Pilz: "Weil s' jetzt zum Faymann müssen und fragen: ,Dürf ma des?‘"
Der Kanzler sitzt zu diesem Zeitpunkt im Plenum auf der Regierungsbank. Am Rednerpult: FPÖ-General Herbert Kickl. Der Blaue prophezeit Faymann, dass ihn "der Undank der Bevölkerung" bald treffen wird: "Ihre Glaubwürdigkeit, in den U-Ausschuss zu gehen, hat sich nämlich abgenutzt!" Faymann verzieht dazu keine Miene.
Drei Minuten vor Zwölf ist klar, warum. SPÖ und ÖVP haben soeben einen Fristsetzungsantrag eingebracht, der das Aus des Gremiums mit Freitag besiegelt. Damit werden die Inseratenaffäre um Faymann, die Staatsbürgerschaftsvergaben und die Ostgeschäfte der Telekom nicht mehr behandelt. Über das Papier kann jedoch nach der Geschäftsordnung erst am Ende des Plenartages abgestimmt werden.
Bei der Einwendungsdebatte nennt BZÖ-Chef Josef Bucher den Antrag einen "demokratiepolitischen Putsch". SPÖ-Klubchef Josef Cap lässt das nicht auf sich sitzen. Seit dem frühen Morgen gäbe es "Lösungsversuche", doch Teile der Opposition wollten offenbar nicht mehr weiterverhandeln, argwöhnt er. "Dann sollte man aber ehrlich sein", erklärt Cap in Richtung Blau, Orange und Grün, "und gleich sagen, man beendet die Arbeit des U-Ausschusses!"
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf assistiert. Das alles sei "sehr bedauerlich", sagt er. Und wie Cap versichert auch Kopf, dass man bis zur Behandlung des Fristsetzungsantrages noch nach einer Lösung suche.
Was Kopf und Cap nicht erwähnen: Der "Lösungsversuch" von SPÖ und ÖVP sieht für den U-Ausschuss das Aus mit 16. Oktober vor, keinen Kanzler als Zeugen, dafür einen Aktenstopp für die bereits behandelten Themen - lauter No-Gos für die Opposition.
Im Lokal II erstellen Rosenkranz, Petzner und Pilz deswegen zackzack einen neuen Zeitplan und eine neue Zeugenliste für den U-Ausschuss. Ihr Kompromissangebot: Faymann findet sich nicht mehr unter den Personen, die geladen werden sollen. Einen Antrag auf Faymann will die Opposition gesondert, also nur "symbolisch" stellen - die Regierungsparteien könnten diesen dann niederstimmen. Für die ausstehenden Themen sehen Blau, Orange und Grün allerdings zehn und nicht - wie von den Regierungsfraktionen gewünscht - fünf weitere U-Ausschuss-Tage vor. Heißt: Das Gremium würde damit bis zu 21. November weiterarbeiten.
Fortsetzung mit Bedingungen
Hektisch geht es bis zum Abend weiter, zuletzt einigt man sich auf folgendes Vorgehen: Keine Abstimmung des Fristsetzungsantrages, kein Kanzler, keine neuen Akten, dafür acht weitere Ausschusssitzungen zu den Themen Telekom, Staatsbürgerschaften und Inserate, deren Ende nur unverbindlich mit 16. Oktober festgelegt ist. Neu hinzu gekommen ist ein Antrag der Grünen an den Rechnungshof, den gesamten Inseratenkomplex zu prüfen.
Vor der Fünfparteieneinigung ("Ein trauriger Sieg" für die Opposition, sagt Petzner) löchern die Grünen den Kanzler noch mit 46 Fragen zur Inseratenaffäre. Als Verkehrsminister soll er staatsnahe Gesellschaften wie ÖBB und Asfinag zu Inseratenkampagnen veranlasst haben, die diese im Nachhinein selbst bezahlen mussten. Zu dem Hagel an Vorwürfen hebt Faymann nur ab und zu die Augenbraue - und weist alle Vorwürfe zurück (s. rechts). Seit Mittwochabend ist klar: Jetzt ist es an Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), zu den Inseraten Stellung zu nehmen, der Ausschuss-Endbericht soll laut SPÖ noch im Oktober vorliegen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 20.9.2012)