In Sambia auf der Fahndungsliste: Lloyd Himaambo.

Foto: Lloyd Himaambo

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Sambias Präsident Michael Sata, der im September 2011 den Amtseid abgelegt hat, tendiert momentan eher dazu, der schlechteste Präsident in der Geschichte des Landes zu werden. 

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Lloyd Himaambo zögert bei der Frage nach seinem Aufenthaltsort. Schließlich verweigert er eine Antwort, das sei ihm schlicht zu gefährlich. Selbst im unfreiwilligen Exil fühlt sich der sambische Journalist nicht sicher. Die Antworten im Telefoninterview kommen stets mit Verzögerung, immer scheint er abzuwägen, ob er zu viel von sich preisgeben könnte. Die letzten Jahre, geprägt durch die Angst vor einer Festnahme, haben ihn zu einem vorsichtigen Mann gemacht. 

Ende des Jahres 2010 hat Himaambo seinem Heimatland Sambia den Rücken gekehrt. Der Herausgeber und Autor der investigativen Online-Nachrichtenseite "Zambian Watchdog" war der damaligen Regierung unter Präsident Rupiah Banda ein Dorn im Auge. Er und seine Mitarbeiter berichteten über so heikle Themen wie staatliche Korruption, über Drogen- und auch Menschenhandel. Bis zu 100.000 Menschen lasen täglich ihre Artikel, Drohungen von staatlicher Seite schlugen sie in den Wind. Im November 2011 wurde es der sambischen Justiz aber zu viel.

Während eines laufenden Gerichtsprozesses um einen Mord an einem sambischen Geschäftsmann veröffentlichte der "Watchdog" zwei auf Zeugenaussagen beruhende Analysen. Fazit dieser Artikel: Hinter dem Gewaltakt steckt ein Sumpf staatlicher Korruption. Der zuständige Richter warnte die Medien bereits vor dem Prozess, aus nicht als Beweismittel zugelassenen Unterlagen zu zitieren. Die Missachtung dieser Warnung hatte weitreichende Konsequenzen: Die "Watchdog"-Seite wurde gehackt, die veröffentlichten Analysen zum Mordprozess verschwanden über Nacht, in das Redaktionsbüro in der Hauptstadt Lusaka wurde eingebrochen, und gegen das gesamte Team Anklage erhoben. Gegen die betreffenden Autoren, darunter auch Himaambo, wurde ein Haftbefehl ausgestellt. Die Begründung: Dem obersten Gericht Sambias wurde die gebotene Achtung verweigert.

Eine Flucht, gerade noch rechtzeitig

Seit diesem Zeitpunkt steht Himaambo auf der Fahndungsliste Sambias. Die Vorwürfe wurden seitdem aber erweitert. Den Präsidenten und weitere hochrangige Politiker soll er diffamiert, das Image Sambias verunglimpft und sogenannte Internetverbrechen begangen haben. Ein Mitarbeiter des Watchdog-Teams wurde verhaftet, aber wieder auf freien Fuß gesetzt, da er nichts wusste. Himaambo hingegen wusste viel, er kannte die Quellen, die er aber nicht preisgeben wollte. Er entschied sich für die Flucht. Freunde aus dem Umfeld der Regierung warnten ihn vor einem bevorstehenden Zugriff der Polizei, nur mit Laptop und Handy als Gepäck fuhr er zum Flughafen. Da er aber nicht rechtzeitig ein Ticket bekam, überquerte er nachts zu Fuß die Grenze nach Namibia.

Von dort aus verschlug es ihn nach Norddeutschland, die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte lud ihn für ein Jahr in die Hansestadt ein. Er hielt Vorträge über die Lage in Sambia, er knüpfte internationale Kontakte, er setzte seine journalistische Arbeit aus dem Ausland fort, und er blieb, so gut und so sicher es ging, mit seiner Familie in Sambia in Kontakt. Vor allem seine Tochter Days vermisst er, sagte er im April 2011 in einem Interview in Hamburg. Und auch das sambische Essen. Seine Familie in Sambia ist untergetaucht, auch ihr drohe Gefahr, meinte Himaambo damals.

Nun, etwa eineinhalb Jahre später, ist seine Familie in Sicherheit, sagt Himaambo am Telefon. Im Juni hat er seine nun achtjährige Tochter das erste Mal seit Langem wieder gesehen, als sie die Grenze überquert hat. Welche Grenze das ist, will er nicht verraten. Doch ist durch diese Information davon auszugehen, dass er sich momentan in der Nähe von Sambia aufhält.

Der Wachhund wandert in den Untergrund

Voller Stolz erzählt er, dass die Arbeit des "Watchdog" trotz erschwerter Bedingungen fortgesetzt wird: "Wir arbeiten im sambischen Untergrund, zwei von uns vom Exil aus. Und unsere Leserschaft wächst weiter." Angesprochen auf die Probleme des Landes, entkommt Himaambo das erste Mal so etwas wie ein Wortschwall, seine Stimme erhebt sich: "Die Regierung ist korrupt und will nicht, dass darüber berichtet wird." Das habe sich auch mit dem Regierungswechsel im September 2011 nicht geändert, sagt er. Damals wurde die MMD (Movement for Multi-Party Democracy) von Rupiah Banda abgewählt, Michael Sata und seine PF (Patriotic Front) kamen an die Macht.

Nach seinem Wahlsieg war Sata ein Hoffnungsschimmer in der sambischen, nein, in der afrikanischen Welt. Während des Wahlkampfes veröffentlichte seine Partei ein umfangreiches Parteiprogramm, das Manifesto. Für Heiner Naumann, Leiter des sambischen Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, und weitere Beobachter gilt sie als Benchmark für afrikanische Parteien: "Es war umfangreich, konkret, voll mit gutem Demokratieverständnis." Im Gespräch mit derStandard.at widerspricht er Himaambo, wenn es um Korruption in der aktuellen Staatsspitze geht: "Rupiah Banda besaß vor seinem Einstieg in die Politik nur eine Farm. Nun wird er auf 100 Millionen US-Dollar geschätzt. Im Gegensatz dazu scheint Sata sauber zu sein." Was allerdings die Korruption in öffentlichen Ämtern oder im Alltag betrifft, so habe sich kaum etwas geändert.

Sata, ein Politiker vom alten Schlag

Saubermann Sata hat dafür andere Schwächen, ironischerweise genau beim Thema Demokratieverständnis. Naumann beschreibt ihn als "Politiker des alten Schlages, in Europa würde man sagen, dass er beratungsresistent ist. Dementsprechend gibt es Demokratiedefizite innerhalb der Regierung." Das Parlament ist nicht vergleichbar mit jenen in Europa, es hat nicht einmal annähernd die gleichen Rechte und Funktionen. Manche Beobachter würden es gar als "Akklamationsbude" bezeichnen, der Chef der Oppositionspartei UPND, Hakainde Hichilema, wurde verhaftet, weil sich Sata von ihm kritisiert fühlte.

In Sachen Medienfreiheit gilt ebenfalls das Motto: Große Worte, keine Taten. Während die Vorgängerregierung während des Wahlkampfes im letzten Jahr rücksichtslos die staatlichen Medien einsetzte - einen Oppositionspolitiker bekam man dort weder zu sehen noch zu hören oder zu lesen - kündigte Sata im Manifesto sinngemäß an: "Hands off". Die staatlichen Medien sollten teilweise privatisiert werden, nach US-Vorbild wurde eine Freedom of Information Bill angekündigt, auch eine Art Presserat sollte installiert werden. Journalisten in Sambia zeigten sich von Satas Plänen begeistert, einige wechselten sogar in seine Partei. Eingetreten ist davon bislang aber nichts, bilanziert Naumann, ganz im Gegenteil: "Man kann nicht von einer offenen Zensur sprechen, aber von gelenkter Berichterstattung. Es ist eine Art vorauseilender Gehorsam eingekehrt. Die Regierung könnte ja anrufen."

Solidarität? Fehlanzeige

Auch der Fall Lloyd Himaambo ist Heiner Naumann bekannt. Größere Auswirkungen hatte er seiner Meinung nach aber nicht: "Es gab keine Solidarisierung in der Branche, keine Proteste. Der Fall ist momentan auch kein Thema in Sambia. Der Watchdog ist eine wichtige Quelle, aber nicht für viele." Vielleicht auch eine Art vorauseilenden Gehorsams anderer Medien, heikle Themen zu ignorieren. Vielleicht ein Armutszeugnis für die Zivilgesellschaft in Sambia. Vielleicht die Selbstüberschätzung eines Journalisten, der sein Medium als Staatsfeind Nummer eins hochstilisiert. Vielleicht aber auch einfach nur das Zusammenprallen unterschiedlicher Perspektiven. Bezeichnend dafür ist, dass Himaambo von zahlreichen sambischen Journalisten spricht, die in den letzten Monaten aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung gefeuert wurden. Naumann hingegen ist nur ein Fall bekannt. Einigkeit besteht aber auf jeden Fall darin, dass Medienfreiheit nicht so gegeben ist, wie sie sein sollte.

"Reiches Land mit armer Bevölkerung" - Diesem von Naumann in den Mund genommenen Spruch würde vermutlich auch Himaambo zustimmen. Denn Sambia verfügt über enorme Kupfervorkommen, Investoren aus aller Welt sind im Land im südlichen Afrika aktiv. Seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1964 hat sich eine kleine Oberschicht entwickelt, die in allen politischen Konstellationen mitregiert hat. Der restliche Teil der Bevölkerung hingegen fristet ein konstant armes Leben. Trotz eines Wirtschaftswachstums von sechs bis acht Prozent in den jeweiligen letzten Jahren. Daran hat auch der Regierungswechsel nichts geändert.

Die Zukunft bringt die Antworten

Nach dem Amtsantritt von Michael Sata im September 2011 wurde von Beobachtern prognostiziert: Das wird entweder die beste oder die schlechteste Regierung in der Geschichte Sambias. Sie würde also entweder die hohen Erwartungen erfüllen. Oder eben nicht. Bislang sieht es eher nach letzterem Fall aus. Naumann hält den Zeitpunkt für ein fundiertes Urteil aber zu früh: "Das nächste Jahr wird entscheidend sein. Wird die Regierung den angekündigten Verfassungsreformprozess durchführen? Kehrt der Präsident von seiner autoritären Art ab und ist doch lernfähig? Mediengesetzgebung, Parlamentsfunktionen - Kommt es da zu den angekündigten Veränderungen?"

Sollte die Zukunft diese Fragen nicht mit Ja beantworten, dann wird Lloyd Himaambo mit seiner abschließenden Aussage wohl Recht behalten: "Sie zerstört unsere Hoffnungen, sie zerstört das Image von Sambia. Unter dieser Regierung kann ich nicht zurückkehren." (Kim Son Hoang, derStandard.at, 18.10.2012)