"Google hat sehr viele Nutzer weltweit. Von Anfang an war es für uns klar, dass die Nutzer und der Umgang mit deren Daten ein ganz wichtiges und sensibles Gut darstellen."

Foto: Standard/Regine Hendrich

"Wir wollen, dass unsere Nutzer wissen, welche Daten gespeichert werden, und wir wollen auch, dass Benutzer die Möglichkeit haben zu entscheiden, was mit diesen Daten geschieht."

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Ein Google-Auto zur Aufnahme von Street-View-Ansichten.

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Seit Mai ist Markus Kienberger Googles Statthalter in Wien. Karin Tzschentke und Iwona Wisniewska fragten ihn zum Verhältnis des Internetkonzerns zu Meinungsfreiheit und Transparenz.

STANDARD: Google sorgt in diesen Tagen wieder einmal für Schlagzeilen - Stichwort Bettina Wulff und Mohammed-Video. Wo sieht Ihr Konzern die Grenze, wann Content vom Netz genommen werden muss?

Kienberger: Wenn es konkret um diese beiden Beispiele geht, die sehr sensibel sind, muss man Folgendes sagen: Wir versuchen, Produkte zu schaffen, die von jedem genutzt werden können und auch die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Das ist in gewissen Situationen eine Herausforderung, weil Inhalte in gewissen Ländern oder Regionen als okay, in anderen wiederum als beleidigend empfunden werden.

Im Fall des Mohammed-Videos ist es allerdings so, dass der Inhalt nicht gegen unsere Nutzungsrichtlinien verstößt. Diese haben wir 2007 schon dargelegt in den Prinzipien zur Meinungsfreiheit, und deshalb wird das Video nicht von Youtube genommen. Wir haben aber dort, wo der Inhalt des Videos als illegal eingestuft wird, das Video heruntergenommen beziehungsweise in einigen Ländern den Zugang auch eingeschränkt.

STANDARD: Misst Google nicht manchmal mit zweierlei Maßstäben? Vor einem halben Jahr wurde in Österreich Werbung für Abtreibungskliniken abgelehnt. Schwangerschaftsabbruch ist aber in Österreich erlaubt.

Kienberger: Was immer wieder passieren kann bei Prozessen, die automatisiert ablaufen, ist, dass Anzeigen vom System abgelehnt werden. Das sieht sich ein Mitarbeiter an und trifft dann dementsprechende Entscheidungen. Wir haben das dann wieder rückgängig gemacht.

STANDARD: Google kommt beim Thema Datenschutz und Privatsphäre immer wieder in die Kritik. Wie erklären Sie sich das und was verstehen Sie unter diesen Begriffen?

Kienberger: Google hat sehr viele Nutzer weltweit. Von Anfang an war es für uns klar, dass die Nutzer und der Umgang mit deren Daten ein ganz wichtiges und sensibles Gut darstellen. Deshalb haben wir bei allen Google-Produkten die höchsten Datensicherheits- und Privacy-Standards.

Transparenz und Kontrolle sind uns sehr wichtig. Wir wollen, dass unsere Nutzer wissen, welche Daten gespeichert werden, und wir wollen auch, dass Benutzer die Möglichkeit haben zu entscheiden, was mit diesen Daten geschieht. Das kann man sehr ausführlich in unseren Datenschutzrichtlinien nachlesen. Wenn jemand Google den Rücken kehren und seine Gmail-Kontakte in ein anderes System mitnehmen möchte, kann er das tun.

STANDARD: Der durchschnittliche Nutzer weiß oft nicht, was was über ihn gesammelt wird und was damit passiert.

Kienberger: Wir betreiben deshalb viel Aufklärung, zum Beispiel auf auf google.at/goodtoknow. Da werden wir am Drücker bleiben, um diese Transparenz zu betreiben.

STANDARD: Inwieweit spielt dabei auch das Generationenproblem mit? Junge Menschen haben in Sachen Google und Facebook oft eine andere Einstellung als die Elterngeneration.

Kienberger: Die Einstellung ist eine Sache, aber das Wissen, das damit einhergeht, ist genauso wichtig. Wenn ich mir ansehe, wie meine Kinder mit Smartphone oder Computer umgehen, bringt das ein anderes Wissen mit sich. Damit entsteht auch ein anderes Bewusstsein.

STANDARD: Warum geraten Sie dann immer in Bedrängnis hinzüglich Datenschutz? Erst vor kurzem wurden Google in Deutschland wieder Datenschutzverletzungen vorgeworfen.

Kienberger: Was Sie jetzt ansprechen, ist Google Analytics, und da muss man ganz klar unterscheiden zwischen Rechtsmeinungen und dem, was die Rechtsprechung tatsächlich sagt. Im Fall Analytics hat die Hamburgische Datenschutzbehörde letztlich gesagt, dass der Webanalysedienst den Datenschutzrichtlinien entspricht.

STANDARD: Wird Google Ihrer Meinung nach in Europa kritischer beäugt als in den USA?

Kienberger: Das ist so. Ich führe das auf kulturelle Unterschiede und unterschiedliche Historien zurück. Aber eine tiefergehende Diskussion ist ja nicht schlecht, im Gegenteil. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen und die Sympathie der User durchgängig extrem hoch sind. Die User vertrauen Google.

STANDARD: Über den Kartendienst Street View gab es in Österreich heftige Diskussionen. Ist er hier noch ein Thema für Sie?

Kienberger: Wir sind ein großes, internationales Unternehmen, aber auch bei uns sind Ressourcen ein Thema, und es gibt unterschiedliche Planungen für unterschiedliche Produkte. Derzeit gibt es keinen konkreten Plan, Street View hierzulande zu starten.

STANDARD: Das heißt, das Material ist vorhanden, und Sie machen nichts damit.

Kienberger: Ja, obwohl es schade ist, zumal die Nachfrage aus der Wirtschaft sehr stark ist. Die Tourismuswirtschaft wäre sehr interessiert, solche Bilder zu haben.

STANDARD: Auch um das geplante Rechenzentrum im oberösterreichischen Kronstorf ist es still geworden. Was ist der Grund?

Kienberger: Auch hier gibt es eine internationale Planung. Kronstorf wurde seinerzeit als passender Standort ausgesucht. Da müssen aber sehr viele Faktoren stimmig sein. Wir haben von Anfang an gesagt, dass ein Kauf nicht heißt, dass wir auch bauen werden. Kronstorf ist aber immer noch eine interessante Option, sonst hätten wir das Grundstück nicht gekauft.

STANDARD: Google geht in viele Bereiche, die man von einem Internetunternehmen nicht erwarten würde, zum Beispiel als Energieanbieter. Gratisstrom für Nutzerdaten: Wie schätzen Sie die Bereitschaft der Nutzer dazu ein?

Kienberger: Wenn wir von Daten sprechen, sind das oft Daten, die gar keinen Personenbezug haben, wie beispielsweise eine IP-Adresse. Das identifiziert einen Rechner und eine Region, aber nicht mehr. Da ist es auch wieder wichtig, dass der Kunde weiß, um welche Daten es geht und was damit passiert. Wenn er damit einverstanden ist, seine Daten herzugeben, um eine nützliche Dienstleistung zu bekommen, dann ist das okay, solange die Transparenz gegeben ist.

STANDARD: Stichwort Google Play. In Deutschland wird dieser Marktplatz mit viel mehr Content versehen als in Österreich. Was sind die Gründe dafür?

Kienberger: Wir sind in dieser Frage hier überhaupt nicht eingebunden. Da werden Gespräche geführt von Google mit Contentlieferanten. Den Schluss können Sie selber ziehen, dass es möglicherweise weniger an uns liegt. Es ist ein Bereich, in dem mehrere Partner miteinander sprechen müssen, und da gibt es halt unterschiedliche Geschwindigkeiten. Das ist jetzt nicht Google-Play-spezifisch, sondern ein ganz normaler Vorgang in der Wirtschaft.

STANDARD: Oft bewirkt ein Launch in Deutschland, dass in Österreich nachgeschossen wird.

Kienberger: Das stimmt so nicht. Wir haben auch durchaus Situationen, bei denen Produkte in kleinereren Ländern gelauncht werden und größere Länder nachziehen. Die Logik "Zuerst Deutschland, dann Österreich" gibt es eigentlich nicht.

STANDARD: Das soziale Netzwerk Google+ hat den Angaben zufolge in letzter Zeit deutlich zugelegt. Wie viele Nutzer hat es jetzt in Österreich?

Kienberger: Für Österreich kann ich Ihnen die Zahlen nicht sagen, weil wir das auch nicht herunterbrechen, aber wir haben eine sehr schöne Entwicklung weltweit: 400 Millionen Nutzer, davon 150 Millionen monatlich aktive Nutzer, von denen die Hälfte wiederum auch täglich aktiv ist. Das Spannende für uns ist, dass es nicht nur eine Plattform ist, auf der man posten kann, sondern dass andere Google-Dienste in ihr integriert sind. Das soll eine nahtlose Nutzung dieser Dienste möglich machen.

STANDARD: Können Sie sich Analysen erklären, denen zufolge Google+ mehr männliche als weibliche Nutzer hat?

Kienberger: Ich kenne die Demografie dahinter nicht so genau. Es ist auch gar nicht so wichtig, denn das Interessante dahinter sind die Kreise, die die realen Freundes- und Bekanntenkreise abbilden können.

STANDARD: Zielen Sie darauf ab, Facebook-Nutzer auf Google+ hinüberziehen zu können?

Kienberger: Das ist für uns keine relevante Frage. Für uns ist es wichtig, ein Produktportfolio zu haben, das Nutzen für unsere Nutzer hat. Und mit Google+ haben wir jetzt ein Rückgrat, das diese Dienste auf eine spezielle Art und Weise verbindet, deshalb finde ich den Vergleich mit Facebook nicht so wichtig.

STANDARD: Wie entwickelt sich Ihr Anzeigengeschäft in Österreich?

Kienberger: Es wächst, und wir sind damit ganz zufrieden, zumal in Österreich die Dinge im Online-Marketing sich insgesamt langsamer entwickeln als in anderen Ländern. Wenn Sie sich heute das Mediennutzungsverhalten bei den 15- bis 49-Jährigen in Österreich anschauen, sieht man ganz klar, dass der größte Teil der Mediennutzung in den Online-Kanal fließt, nämlich 130 Minuten pro Tag. Das ist wesentlich mehr als die TV-Nutzung, die sich bei 110 Minuten bewegt, und wesentlich mehr als die Print-Nutzung, die bei 30 Minuten liegt.

Trotzdem haben wir bei Werbeausgaben die Situation, dass noch immer mehr als 50 Prozent aller Werbegelder in den Printkanal fließen und 25 Prozent in den Fernsehkanal und je nach Auswertungen etwa zehn Prozent in den Online-Kanal. Dagegen fließen zum Beispiel in Großbritannien schon über 40 Prozent aller Werbegelder in digitale Kanäle. Dort ist die Werbewirtschaft viel schneller dem Konsumentenverhalten gefolgt.

STANDARD: Wie hoch ist denn Ihr Marktanteil im Online-Werbegeschäft?

Kienberger: Das ist in Österreich schwer zu beantworten, weil es sich bei den vorliegenden Daten der Werbewirtschaft um Bruttodaten handelt, bei denen Preise nach irgendwelchen Listen erhoben werden. Dem Google-Umsätze gegenüberzustellen wäre so, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

STANDARD: Es gibt mittlerweile Untersuchungen, denen zufolge Unternehmen zunehmend an der Wirksamkeit von Online-Werbung zweifeln.

Kienberger: Da kommt es stark darauf an, was man macht. Online ist nicht Online, und es gibt viele Kanäle. Suchmaschinenmarketing ist glücklicherweise sehr effizient und sehr effektiv. Wenn jemand eingibt "Gebrauchtes Auto kaufen", dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass er ein gebrauchtes Auto kaufen möchte. Wenn ein Unternehmen dann auch ein relevantes Suchergebnis präsentiert in Form einer Anzeige, kann man ja messen, ob der Kunde klickt, ob er eine Probefahrt macht und das gebrauchte Auto kauft.

Ob jetzt andere Maßnahmen gleich gut funktionieren, kann ich nicht beurteilen. Da gibt es sicher Abstufungen, wobei man sagen muss, dass in der klassischen Online-Display-Werbung sich einiges massiv verbessert hat. Da gibt es schon ganz tolle Daten und Erhebungen, die es uns erlauben, hier sehr präzise auszustreuen. Man kann nicht pauschal sagen, dass Online-Werbung schlechter funktioniert.

STANDARD: Man kann aber auch nicht pauschal sagen, dass Online-Werbung funktioniert.

Kienberger: Da gebe ich Ihnen bis zu einem gewissen Grad recht. Das hängt sicher vom Unternehmen und vom Ziel ab, aber es wird heute kaum ein Unternehmen geben, bei dem Online keine Rolle spielt. Das ist einfach aufgrund der Nutzersituation ganz klar.

STANDARD: Wie bringen Sie Ihren Kindern den sicheren Umgang mit dem Internet bei?

Kienberger: Wie bei allen anderen Medien auch: Indem man sie nicht alleine lässt, begleitet und aktiv auf die Probleme hinweist. Ich lasse meine Kinder genauso wenig stundenlang unbeaufsichtigt vor dem Fernseher sitzen wie vor dem Computer. (Karin Tzschentke/Iwona Wisniewska, derStandard.at, Langfassung, 22.9.2012)