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Ethnische Serben feiern den Sankt-Veits-Tag in Gazimestan im Kosovo. Sie gedenken der Schlacht auf dem Amselfeld 1389, als das serbische und bosnische Heer gegen die Osmanen kämpften - und verloren.

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In den vergangenen Wochen ist es Belgrad schmerzhaft bewusst geworden, dass die bisherige serbische Strategie - Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses und Nichtanerkennung des Kosovo - nicht länger aufrechtzuerhalten ist. Wenn Serbien die Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnehmen möchte, wird es offensichtlich über seinen Schatten springen müssen. "Die Schonzeit für Serbien ist vorbei", sagte ein westlicher Diplomat in Belgrad.

Die Aufnahme Serbiens in die EU sollte von der Anerkennung des Kosovo abhängig gemacht werden, sagte Anfang September der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, und zerstörte damit die Illusion vieler Serben, über die EU und den Kosovo als zwei "parallele, voneinander unabhängige Gleise" der serbischen Politik.

Konkreter war der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Außen-, Verteidigungs- und Europapolitik, Andreas Schockenhoff, während seines Besuches in Belgrad vor zehn Tagen. Er stellte sieben Bedingungen für den Beginn von EU- Beitrittsverhandlungen, darunter die Auflösung " illegaler" serbischer Institutionen und die Umsetzung aller bisherigen Vereinbarungen mit dem Kosovo. Die Europäische Union werde kein Land mit ungelösten Konflikten aufnehmen, erklärte der Gesandte der deutschen Bundeskanzlerin. Serbien müsse den "sichtbaren" Willen zeigen, ein rechtlich verpflichtendes Abkommen mit Prishtina über die Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen zu unterzeichnen.

"EU oder Russland"

Politische Analytiker sprachen von einem "Ultimatum" und dass Serbien nicht nur vor der Wahl "Kosovo oder EU, sondern EU oder Russland" stehe. " Der Kosovo ist so lange serbisch, bis wir ihn hergeben", sagte Staatspräsident Tomislav Nikolic, und Regierungschef Ivica Dacic setzte sich für eine Teilung des Kosovo ein.

Es wird deutlich, dass die aus gewandelten Ultranationalisten zusammengesetzte neue serbische Regierung ihre europäische Zuneigung erst unter Beweis stellen muss. Um sich von ihrer kriegshetzerischen Vergangenheit reinzuwaschen, zeigt sich die neue Regierung erst einmal kompromissbereiter als die vorherige. Doch für die patriotisch gesinnten serbischen Machthaber, von denen man "das Unmögliche" fordert, nämlich " die Wiege des Serbentums" aufzugeben, ist es eine echte Qual.

Um den Druck des Westens zu mindern, intensiviert Belgrad seine strategische "natürliche" Partnerschaft mit dem "freundschaftlich gesinnten" Russland. In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, dass es zur EU doch eine Alternative gibt - die engere Zusammenarbeit mit Moskau. Ein Referendum, bei dem man zwischen dem Kosovo und der EU entscheiden soll, wird schon vorsichtig in Aussicht gestellt. Wie die Serben entscheiden würden, ist nicht schwer zu erraten. (Andrej Ivanji/DER STANDARD Printausgabe, 25.9.2012)