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Alles andere als idyllisch: Bergbauern müssen sich künftig auf kräftige Einschnitte einstellen - bei den Direktzahlungen und bei der Ländlichen Entwicklung.

Foto: Reuters/Michael Buholzer
Grafik: Standard

Im EU-Budget soll kräftig gespart werden. Das vertreten bei den Verhandlungen in Brüssel fast alle Regierungen der Mitgliedsländer. Die Frage ist: wo? Niemand will auf Vorteile verzichten. Österreich kämpft gleich an zwei Fronten.

 

Brüssel - Ihre Vorschläge sind Zeitvergeudung. Sie können das gerne probieren, aber es ist gar nicht der Mühe wert, verlorene Zeit." Der britische Europaminister David Lidington lehnt sich lässig nach vorn, als er seinen Kollegen im Ministerrat harten Widerstand seines Landes gegen den langfristigen Budgetplan der Kommission für die Jahre 2014 bis 2020 erläutert. Mit Vorlage einer "Verhandlungsbox" hatte der EU-Vorsitz Montag zur Aussprache gebeten.

Darin wird nicht nur eine Steuer auf Finanztransaktionen angedacht, die die Union (zum Teil) finanzieren soll - auch ein eigener Mehrwertsteueranteil zugunsten der EU, eine "EU-Steuer", könnte kommen. Die Kommission hofft, damit langfristig endlich einen Weg herauszufinden aus dem Dauergezänk der Staaten um ihre Mitgliedsbeiträge. Derzeit ist es so, dass fast 90 Prozent des Budgets aus direkten Einzahlungen der Mitglieder bestehen. Diese fließen über gemeinsame Agrar-, Struktur- oder Regionalförderung wieder zurück - nicht in Länder, sondern direkt zu Bauern, strukturschwachen Regionen oder in länderübergreifende Forschung.

Über die Jahre und mehrere EU-Erweiterungen ist ein komplexes Finanzierungssystem entstanden, das kaum jemand durchblickt. Einige Staaten, vor allem die Briten, bekommen große "Beitragsrabatte" (3,6 Mrd. Euro). Aber in London denke man nicht im Traum daran, darauf zu verzichten, machte Lidington deutlich, sosehr Meistzahler Deutschland auch dränge.

Im Gegenteil: Man solle doch kräftig in allen Detailbudgets kürzen, dann würden auch Rabatte kleiner, Nettozahlerstaaten wie Österreich entlastet. Staatssekretär Reinhard Lopatka dürfte mit dieser Haltung Lidingtons wenig Freude gehabt haben, auch wenn er im Namen der Regierung in Wien selbst Kürzungen verlangte.

Die Vorschläge würden "eine Steigerung des österreichischen Beitrags um 25 Prozent bedeuten", sagte er. Das gehe nicht. Die Kommission müsse neu rechnen, vor allem bei der Administration noch deutlich kürzen. Das ist aber nur der eine Teil der Wahrheit für EU-Mitglied Österreich: Weil Wien zuletzt im Jahr 2006 gut verhandelt hat, aus der Agrarförderung überproportional profitiert (siehe Bericht unten) und selbst Beitragsrabatt bekam (neben Schweden, Deutschland), würden radikale Kürzungen Österreich unterm Strich mehr schaden als nützen.

Wien will mehr Rabatt

Lopatka bestätigt das "zu hundert Prozent". Im Rat erklärte er folgerichtig, dass Österreich so wie andere Nettozahler auch größere Nachlässe verlange. Rund 70 Millionen Euro hat sich Wien bisher pro Jahr an Beiträgen erspart. Nun will man eine Einzahlungserleichterung von 300 Millionen.

1025 Mrd. Euro an Zahlungsverpflichtungen in sieben Jahren hat die Kommission bis 2020 veranschlagt. Dazu kämen außerbudgetär noch rund 60 Milliarden für Großprojekte wie den Forschungsreaktor Iter oder die Entwicklungshilfe. Subventionen in der Agrarpolitik sollen schrittweise sinken, Regional- und Infrastrukturförderung ansteigen.

Den Nettozahlerländern ist das zu viel. Sie verlangen, dass das Budget um 100 Milliarden Euro abgespeckt wird. In der Kommission argumentiert man dagegen, dies sei sinnwidrig: Man könne nicht mehr gemeinsame Politik beschließen, das aber nicht finanzieren. Gemessen an der Wertschöpfung bewege sich das EU-Budget bei mageren ein Prozent.

Wie der Poker ausgeht, entscheidet sich ganz am Ende in der "Nacht der langen Messer" bei einem EU-Sondergipfel, sagt ein Verhandler, "alles ist möglich". (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 25.9.2012)