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Foto: APA/Neubauer

Am Wochenende demonstrierten etwa 700 hier lebende Muslime vor der amerikanischen Botschaft - weil ein paar obskure Fanatiker in den USA einen elenden Mohammed-Film ins Internet (wo er so lange unbeachtet blieb, bis ihn irgendwer ins Arabische übersetzte) gestellt hatten. Dass die Regierung der USA solche Produkte nicht einmal wahrnimmt, ist für die Demonstranten kein Argument.

In den allermeisten muslimischen Ländern ist nicht einmal eine wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit der Glaubensüberlieferung möglich, wie sie im Christentum seit knapp 200 Jahren üblich ist. Aber Salman Rushdie, der jetzt sein Buch über die Jahre der Todes-Fatwa veröffentlicht hat, legt eine tiefere Schicht frei: "Mittlerweile hat sich (...) eine Wutindustrie etabliert, die eigentlich gar nichts mit Religion zu tun hat (...) Die Menschen definieren sich über die Dinge, die sie hassen, nicht über das, was sie lieben. Das ist ein wachsendes Problem: Dass Menschen glauben, sie müssten wütend sein, um zu wissen, wer sie sind."

Die Muslime mit den wutverzerrten Gesichtern, die wir in den Medien sehen, sind höchstwahrscheinlich echt empört über eine vermeintliche oder tatsächliche Beleidigung ihres Glaubens. Aber es ist noch etwas anderes dabei - die Wut auf die eigene, im Vergleich zu den USA, zum Westen rückständige und perspektivlose Situation. Sie machen die anderen für ihre Lage verantwortlich. (Hans Rauscher/DER STANDARD Printausgabe, 25.9.2012)