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Nicht nur die Schiedsrichter, sondern auch die Assistenten sind mitunter auf der Flucht. In Österreich wird nun versucht, ihre Interessen zu vertreten.

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Harald Ruiss setzt sich für Kollegen ein.

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Wien - Auf die Idee hat ihn der Vater gebracht. Gerhard Ruiss ist lange schon Vorsitzender der IG Autorinnen und Autoren. Sohn Harald ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer HTL in Wien. So nebenbei ist der 31-Jährige Schiedsrichter, wobei ihm der große Fußball, also die tipp3-Bundesliga (von internationalen Spielen ganz zu schweigen), verwehrt bleibt. Weil er als Querulant gilt.

Im Mai verfasste er einen offenen Brief, das Schreiben liegt in der Familie. Ruiss junior prangerte das österreichische Schiedsrichterwesen an, bemängelte die inkompetenten Funktionäre, die den Kick zur Selbstdarstellung missbrauchten. Er schrieb von Seilschaften, Lobbying, fehlender Transparenz und einem System der Willkür. Nannte Namen, den Kommissionsvorsitzenden Hans Hantschk und Manager Fritz Stuchlik. Er forderte die Professionalisierung. Mitte August wurde er wegen unkollegialen Verhaltens und Beleidigung für vier Monate gesperrt (rückwirkend) und zu einer Geldstrafe von 200 Euro verurteilt. Die Berufung läuft.

Ende September sagt er zum Standard: "Ich stehe zu den Vorwürfen." Unmittelbar nach dem Urteil gründete er die IG Referee, eine Interessenvertretung für unparteiische Frauen und Männer. "Nicht weil ich gekränkt war, sondern weil es mir mein Vater empfohlen hat. Schiedsrichter brauchen eine Anlaufstelle. Sie sind das schwächste Glied im Fußball. Ihnen gegenüber herrscht Nulltoleranz, sie werden im Stich gelassen. Sie wissen oft nicht, was sie in der Öffentlichkeit sagen dürfen und was nicht."

Ruiss hat sich übrigens als Bundesliga-Referee zurückgezogen. Er brachte es auf mehr als ein Dutzend Zweitliga- und vier Cup-Partien. Im Match zwischen Blau-Weiß Linz und Wolfsberg zeigte er vier rote Karten. " Danach bekam ich Morddrohungen und sagte meinen nächsten Einsatz ab." Ruiss möchte seine Qualitäten nicht selbst beurteilen. "Aber man hatte kein Interesse, mir eine Chance zu geben."

Die IG Referee ist dem Fußballverband, der Liga und den meisten Vereinen leicht suspekt. "Eine Organisation, die an eine Gewerkschaft erinnert, ist ein Schreckgespenst. Wobei wir von einigen Ex-Schiedsrichtern durchaus unterstützt werden." Der Mitgliedsbeitrag beträgt 15 Euro.

Dieser Tage wurde Ruiss aktiv. Schuld daran war Dietmar Kühbauer, der Trainer von Admira. Der Vorfall passierte am Samstagabend in der Südstadt gegen Mattersburg. Gerhard Grobelnik hatte Kühbauer auf die Tribüne geschickt. Bei der anschließenden Pressekonferenz zuckte der Coach völlig aus, obwohl seine Mannschaft 5:1 gewonnen hatte. Er bezeichnete Schiedsrichter generell als "Kreaturen". Der Strafsenat belegte ihn mit einer Geldstrafe von 1000 Euro. Kühbauer hat sich entschuldigt, möglicherweise wird die Ethikkommission aktiv.

Ruiss sagt: "So einfach kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. ' Kreaturen' ist eine neue Dimension. Emotionen auf dem Spielfeld sind ja noch verständlich, aber danach sollte man zu Sachlichkeit übergehen." Er schlägt in besonders krassen Fällen "eine Mediation zur Konfliktlösung" vor. "Der Respekt wird verlangt, aber nicht gelebt."

Für ein Spiel der obersten Klasse kassiert ein Schiri 1000 Euro brutto. " Für Amateure nicht schlecht, für Profis wäre es lachhaft. Man muss endlich entscheiden, was man will." Warum er, Ruiss, Schiedsrichter geworden ist? "Generelle Sportbegeisterung. Es dient der Persönlichkeitsentwicklung, und man lernt, Konflikte zu bewältigen. Es kann eine Lebensschule sein."

Am Samstag pfeift Ruiss in der Regionalliga Ost Simmering gegen FAC, netto bleiben 50 Euro übrig. "Ich freue mich darauf."(Christian Hackl, DER STANDARD 27.9.2012)