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Friedrich Tinner half der CIA, das libysche Atomprogramm zu stoppen. Daraufhin taten die USA vieles, um eine Verurteilung in der Schweiz zu verhindern.

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Urs Tinner, einer der beiden Söhne von Friedrich Tinner, war bei den Geschäften seines Vaters beteiligt.

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Abdul Qadir Khan, der "Vater der pakistanischen Atombombe", vor seinem Haus in Islamabad. Khan steht seit 2004 unter Hausarrest.

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Wäre die Geschichte erfunden, könnte sie auch nicht spannender sein. Was hier folgt, ist aber kein Krimi-Inhalt, sondern die Wahrheit. Zumindest, soweit sie bekannt ist. Es geht um die pakistanische Atombombe, den US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA, eine Schweizer Ingenieursfamilie, die Schweizer Regierung und einen Berg geschredderter Akten.

Tinner und der "Vater der pakistanischen Atombombe"

Alles begann 1975, als der Schweizer Techniker Friedrich Tinner den Pakistaner Abdul Qadir Khan kennenlernte und beschloss in seine Dienste zu treten. Tinner lieferte ab diesem Zeitpunkt dem "Vater der pakistanischen Atombombe" Präzisionsteile für Zentrifugen zur Urananreicherung. Später stiegen auch Tinners Söhne Urs und Marco in das Geschäft ein. Die Tinners übernahmen Beratung, Werkstattleitung und Ausbildung.

Mehr als 20 Jahre lang arbeiteten Vater Tinner und seine Söhne mit dem Netzwerk des Pakistaners Khan. Um das Jahr 2000 wechselten sie aber die Seiten: Die Tinners fingen an mit der CIA zu kooperieren. 2003 tauchten sie auf der Gehaltsliste des Auslandsgeheimdienstes der USA auf. Was den Wechsel ausgelöst hatte, ist nicht bekannt. Dass ihre Arbeit nicht einem zivilen Atomprogramm Pakistans diente muss den Tinners spätestens seit 1998 klar gewesen sein. In diesem Jahr testete Pakistan offiziell seine erste Atombombe. 

Libyen legt Atomprogramm auf Eis

Die Informationen der Tinners waren für die CIA wertvoll. Im Oktober 2003 wurde im süditalienischen Taranto der deutsche Frachter BBC China von US-Behörden am Ablegen gehindert. Auf dem Schiff befanden sich Zentrifugenteile, die für den Aufbau eines Atomprogramms notwendig sind. Als Empfänger geplant: Der damalige libysche Machthaber Muhammad Gaddafi. Derart aufgeflogen, sah sich Gaddafi gezwungen einzulenken und seine Atompläne auf Eis zu legen. Ein Erfolg für die CIA.

Darauf folgte das öffentliche Geständnis von Abdul Qader Khan, er habe Atomtechnologie an den Iran, Libyen und Nordkorea geliefert. Die pakistanische Regierung stellte ihn unter Hausarrest. 

Beweise vernichtet

Die Tinners wurden 2004 in Deutschland verhaftet und an die Schweiz ausgeliefert. Dort ermittelten die Behörden gegen die drei wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kriegsmittelgesetz. Das Verfahren kam aber nicht recht vom Fleck. Das von den Schweizer Behörden eingebrachte Rechtshilfegesuch ignorierten die USA. Mehr noch: Sie machten den Tinners die Mauer. Im Jahr 2008 ließ die Schweizer Regierung beinahe das gesamte Beweismaterial aus dem Fall vernichten. Bundespräsident, Verteidigungsminister und Justizminister verteidigten die Zerstörung der Akten mit dem Argument, die Dokumente hätten ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz dargestellt. Der 74-jährige Tinner wurde 2006 wieder freigelassen, seine Söhne im Dezember 2008 und im Jänner 2009. 

Ein mildes Urteil

Die übrig gebliebenen Unterlagen reichen nicht für eine Anklage. Weil die Beschuldigten allerdings gestanden Zentrifugenteile an das Netzwerk von Khan geliefert zu haben, kam es schließlich noch zu einem Verfahren, dessen Ausgang aber schon bekannt war, bevor es überhaupt begann. Im sogenannten verkürzten Verfahren ist das Strafmaß bereits ausverhandelt. Am Dienstag hat das schweizer Bundesstrafgericht den 46-jährigen Urs Tinner zu 50 Monaten Freiheitsentzug, seinen 43-jährigen Bruder Marco zu 42 Monaten und den Vater der beiden zu 24 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Außerdem müssen die Tinners eine Strafzahlung von 400.000 Franken leisten - umgerechnet rund 330.000 Euro.

Die Haftstrafen werden mit der in Untersuchungshaft verbrachten Zeit gegengerechnet und gelten daher als verbüßt. Die Strafzahlung wird wohl kein großes Loch ins Familienbudget reißen. Die Tinners dürften sich sowohl ihre technischen Dienste als auch die Zusammenarbeit mit der CIA gut bezahlen haben lassen. Laut einer Aussage des Anwalts der Tinners hat die CIA den dreien eine Million US-Dollar überwiesen. (mka, derStandard.at, 27.9.2012)