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Inhaftierter Flüchtling in Ungarn: Die Einsperrpraxis wurde vom Straßburger Menschenrechtsgericht kritisiert, durch die geplante EU-Richtlinie droht sie laut Kritikern legalisiert zu werden.
Straßburg - Laut Flüchtlingshelfern bahnt sich im Umgang mit Schutzsuchenden ein europaweites Menschenrechtsdebakel an: Mittwoch vergangener Woche sei im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (Libe) des Europaparlaments eine Vorentscheidung für die Legalisierung des Einsperrens von Asylwerbern in der gesamten EU getroffen worden.
"Das Europaparlament ist umgefallen", sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der größten deutschen Flüchtlingshilfs-NGO Pro Asyl. Die Europäische Volkspartei, Rechte, Liberale und - zum Teil - die Sozialdemokraten hätten durch ihr Ja zur Neufassung der EU-Aufnahmerichtlinie im Ausschuss einen Schritt in Richtung eines Europas gelegt, "das international auf den Respekt der Menschenrechte pocht, diese aber hinter der eigenen Haustür mit Füßen tritt".
Denn obwohl in dem Entwurf für eine neue Aufnahmerichtlinie in Artikel acht die Anhaltung einer Person, nur weil sie in der EU um Asyl ansucht, untersagt ist werden gleich im folgenden Absatz Ausnahmen definiert: So soll nach einer "Einzelfallprüfung" erlaubt werden, einen Flüchtling zu inhaftieren, um, unter anderem, "seine Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen" sowie "wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung es verlangt".
Auf viele anwendbar
Bei Herbert Langthaler von der österreichischen Asylkoordination lösen diese "unbestimmten Regeln" konkrete Befürchtungen aus: "Ein Großteil der Flüchtlinge kommt ohne Dokumente in die EU, etwa an der türkisch-griechischen Grenze. Sie alle könnten künftig eingesperrt werden."
Das sieht auch Ulrike Lunacek von den Grünen so. Die bisherige Aufnahmerichtlinie schweige sich über Haft für Flüchtlinge aus, erläutert sie. Das habe zu staatlichen Alleingängen wie in Malta, Ungarn und Griechenland geführt, wo Asylwerber zum Teil monatelang unter miesen Bedingungen interniert würden.
Spätestens 2014 in Kraft
Dem habe man in der neuen Richtline ursprünglich Einhalt gebieten wollen. Doch vom Rat der Innenminister seien Verschärfungsvorschläge gekommen. "Jetzt droht eine Regelung, die die maltesische, ungarische und griechische Einsperrpraxis legalisiert, obwohl der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof sie verurteilt", meint auch Josef Weidenholzer von den Sozialdemokraten.
Er hat im Libe-Ausschuss mit Nein gestimmt. Doch er befürchtet, dass seine Bedenken in der Minderheit bleiben werden: Im Plenum, dem die Materie im Dezember vorgelegt wird, herrschten die gleichen Mehrheitsverhältnisse wie Ausschuss. Die neue Richtlinie soll spätestens im April 2014 in Kraft treten. (Irene Brickner, DER STANDARD, 28.9.2012)