Cornelius Obonya

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STANDARD: Sie sagten in einem Interview, Sie seien "ein klassisches Häferl". Was müsste ich tun, damit Sie explodieren?

Cornelius Obonya: Ungenau sein, nichts können, unpünktlich sein. Das sind die Dinge, die mich nerven. Aber ich hab die Häferlei schon ein bissl eingestellt - auch dank der Hilfe meiner Frau. Und ich bin keine 20 mehr. Gleich explodieren: Das lohnt nicht, es verkürzt nur meine Lebenszeit.

STANDARD: Sind Sie dann nicht geradezu prädestiniert für die Rolle des Herrn von Rappelkopf in Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" (Premiere heute, Samstag, im Burgtheater)?

Obonya: Absolut. Sie hat viel mit mir zu tun. Der Rappelkopf meint, dass alle anderen wahnsinnig geworden sind - nur er ist toll und hat alles unter Kontrolle. Auch ich ärgere mich über Dinge und bemerke nicht, dass eigentlich ich auf dem falschen Dampfer bin. Die Lebenskunst besteht aber darin zu erkennen: Da war ich schuld - und nicht die anderen.

STANDARD: Ist der Schluss, die Erlösung, nicht sehr unglaubwürdig?

Obonya: Es ist eben ein "romantisches Zauberspiel". Und wenn jemand das Glück hat, sich selbst erkennen zu können - durch einen Psychologen, die Ehefrau, den Alpenkönig oder wen auch immer: Dann sollte man die Chance nutzen. Das ist im Grund das, was Raimund wollte: Schau dich selber an! Und dann wirst du gar nicht anders können als zu sagen: "Ja, das ist wahr, es tut mir leid, ich muss mich ändern." Daher ist der Schluss sehr schön. Man wird natürlich nicht der supergeläuterte Mensch sein. Wenn jemand ein Rappelkopf ist, dann kann er nicht völlig damit aufhören. Wenn ihm in der Früh das Kaffeehäferl runterfällt, wird er brüllen. Aber er wird nicht den ganzen Tag lang alle anderen dafür verantwortlich machen. Er wird kurz "Scheiße" sagen - und hoffentlich wieder ein fröhlicher Mann sein.

STANDARD: In "Ariadne auf Naxos" bei den Salzburger Festspielen spielten Sie einen reichen Vollidioten. Ist man gerne der Trottel?

Obonya: Nein. Man muss verlieren wollen. Auch wenn man es glaubt: Man hat eben nicht die Oberhand über die Rolle.

STANDARD: Sie standen viereinhalb Stunden auf der Bühne - und machten fast andauernd Schabernack. Wenn man einmal nicht so gut drauf ist: Wie motiviert man sich zu einer solcher Performance?

Obonya: Der Körper macht das einfach. Er ist ein Instrumentarium, das mich immer wieder staunen lässt. Der Vorhang geht auf - und es funktioniert.

STANDARD: Sie sprechen unglaublich schnell - auch jetzt gerade. Und Sie wirbeln gerne herum, wie etwa in "Arsen und Spitzenhäubchen" oder " Cordoba - Das Rückspiel". Sie erinnern mich an Danny Kaye. Sehen Sie sich auch so?

Obonya: Das ist ein großes Kompliment. Ich mag Vorbilder eigentlich nicht. Was die Schnelligkeit und die Präzision betrifft, wäre er aber ein Vorbild. Es gibt einen schönen Satz über Danny Kaye: Wenn man ihn fotografiert, erhält man ein Gruppenbild. Das stimmt.

STANDARD: Stört Sie, als rasanter Komiker punziert zu sein?

Obonya: Mich stört jede Punzierung. Ich spiele ja auch ganz andere Rollen, darunter derzeit im Kasino den Caligula, der gar nichts Komisches hat. Wenn meine Schnelligkeit oder Komik dazu beitragen, eine Rolle zum Leben zu erwecken, dann tu ich das gerne. Wenn das überhandnehmen sollte, würde ich solche Rollen ablehnen. Aber zum Glück wird mir auch anderes angeboten.

STANDARD: Daher bestreiten Sie jetzt zusammen mit Katharina Straßer im Wiener Stadtsaal den Liederabend "Best of Apocalypse"?

Obonya: Das mache ich wahnsinnig gerne. Helmut Jasbar von Ö1 hat Katharina Straßer und mich gefragt, ob wir uns vorstellen können, diese Lieder als Paar zu singen. Ich sagte sofort zu. Es gibt keinen großen intellektuellen Überbau, es geht einfach darum: Was könnte man noch alles singen, wenn der Weltuntergang tatsächlich käme, wie er vom Maya-Kalender prophezeit wird? Wenn man weiß, dass in drei Minuten das Ende sein wird: Was tut man da? Was redest du? Mit wem? Und was hätte man erledigen sollen?

STANDARD: Was werden Sie singen?

Obonya: Wir singen Rockballaden, Leonard Cohen, Lady Gaga. Es ist eigentlich ein Konzert, es gibt nur ein paar Zwischentexte. Aber ich will nicht alles verraten. Premiere ist am 1. Oktober.

STANDARD: Ihre Großmutter, Paula Wessely, pflegte das gestelzte Burgtheaterdeutsch. Was hätte sie gesagt, wenn sie ihren Enkel auf der Bühne gesehen hätte?

Obonya: Sie sah mich sogar noch! Sie meinte, ich sei der gleiche Wirbelwind wie der Großvater (Attila Hörbiger) oder mein Vater.

STANDARD: Wird auch Ihr Sohn Attila Schauspieler werden?

Obonya: Er kann es gerne machen. Aber er muss es mit vollem Herzen machen. Ein bisschen Reinriechen: Das wird es mit mir als Vater nicht geben. Entweder - oder. Auch meine Mutter (Elisabeth Orth) war anfangs durchaus reserviert, als ich ihr sagte, dass ich Schauspieler werden will. Sie sagte: Beweis es mir!

STANDARD: Hat Sie Ihnen auch helfen können?

Obonya: In unserer Familie wird einander möglichst wenig geholfen. Weil es nichts bringen würde. Das haben die drei Töchter von meiner Großmutter mitbekommen - und wir von unseren Müttern. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, meine Mutter zu bitten. Das erzeugt nur Schwäche. Der Beruf hingegen hat damit zu tun, stark zu sein. Auf der Bühne ist man allein. Und das Publikum beurteilt einen. In dieser Situation ist der Nachname uninteressant.

STAMDARD: Das Reinhardt-Seminar haben Sie bereits nach einem Jahr verlassen. Warum?

Obonya: Mit mir war Olivier Tambosi, heute Opernregisseur, am Seminar. Er sagte irgendwann zu mir: "Gerhard Bronner sucht einen eher dicklichen, kräftigen Typen. Magst du nicht bei ihm vorsprechen?" Und so traf ich Bronner im Café Korb. Ich stellte mich vor. Er sagte: "Obonya? Dein Vater war ja auch einmal beim Kabarett." Das stimmte, mein Vater (Hanns Obonya) war eine Zeit lang im Simpl gewesen. Er sagte: "Schau ma uns das einmal an." Und dann ging alles ganz schnell. Bronner setzte sich in der alten Marietta-Bar ans Klavier: "Komm, wir haben keine Zeit. Sing!" In den drei Wochen Proben für das Programm Die neuen Besen und der Dauerbronner hab ich mehr gelernt als im ganzen Jahr im Reinhardt-Seminar. Also blieb ich.

STANDARD: Wann war das?

Obonya: Wenn Sie es genau wissen wollen: Heute (das Interview fand am 25. September 2012 statt) vor 25 Jahren um 19.30.

STANDARD: Und Bronner brachte Sie auch zum Rundfunk?

Obonya: Ja, zum Guglhupf. Ich war der Ersatz für Erwin Steinhauer. Ich trainierte seine Stimme, um möglichst ähnlich zu klingen. Lore Krainer, Kurt Sobotka und der Bronner haben am Klavier herumkomponiert. Und ich war plötzlich mittendrin. Diese Superprofis ließen mich zu keinem Zeitpunkt spüren, dass ich zu unerfahren war. Weil ich von Bronner eingeführt wurde, musste ich ja offensichtlich etwas können. Und das hat jetzt gefälligst abrufbar zu sein, wir haben eh keine Zeit. Von daher habe ich meine Liebe zur Präzision und zum Tempo. Es muss immer alles schnell gehen. Und das macht Spaß. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 29./30.9.2012)