"Man kann die Bohrplätze auch schön gestalten."

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derStandard.at: Frau Klawiter, wie würden Sie Ihren Job als Schiefergas-Beauftragte beschreiben?

Klawiter: Mir ist der Dialog sehr wichtig, ich war schon auf vielen Veranstaltungen in der Region, wo der geplante Abbau von Schiefergas thematisiert wurde. Manchmal wurden diese Treffen von regionalen Politikern organisiert, manchmal waren das Veranstaltungen von Bürgerinitiativen. Mein Ziel ist es, zu wissen, wie die Bevölkerung über Schiefergas denkt. Für unseren Landeshauptmann ist es wichtig, informiert zu sein. Welche Sorgen gibt es? Um Antworten darauf zu erhalten, besuche ich all diese Treffen. 

derStandard.at: Wie ist Ihre Position zu Schiefergas?

Klawiter: Ich vertrete die lokale Regierung. Wir setzen auf Schiefergas, es ist eine große Chance. Aber wir wollen nicht nur diese Chance sehen, sondern stellen uns auch allen Gefahren, die mit Schiefergas verbunden sind. Das muss abgewogen werden. Und es muss aufgeklärt werden: Was wird wirklich gemacht?

derStandard.at: Worin besteht die Chance beim Abbau von Schiefergas?

Klawiter: Wir können weniger abhängig vom russischen Gas werden. Gleichzeitig können wir die Infrastruktur in unserem Bundesland verbessern, können es für mehr Bürger zugänglich machen. Wenn wir Quellen für das Gas haben, können die Firmen kommen und in unsere Region investieren. Dadurch wird es viele neue Jobs geben.

derStandard.at: Haben Sie keine Angst vor Umweltschäden?

Klawiter: Für die regionale Regierung zum Thema Schiefergas zu arbeiten bedeutet für mich, dass ich mich auch mit anderen Energiereserven auseinandersetze. Da höre ich über Biogas, dass es furchtbar ist. Windparks sollen schrecklich sein. Auch Atomenergie ist mit enormen Gefahren verbunden. Gegen fast jede Form von Energiegewinnung gibt es Proteste. Jeder Typ einer Energiequelle bringt Konsequenzen mit sich. Aber können wir ohne Energie leben? Natürlich nicht, wir brauchen Energie. 

Was immer wir machen, es hat Auswirkungen auf die Umwelt. Sogar wenn man ein Haus baut, hat es Auswirkungen. Was es braucht, ist Balance. Wir wissen, dass wir die Energie irgendwo hernehmen müssen. Also müssen wir abwägen, welches der beste Weg ist.

derStandard.at: Was sagen Sie zu Vorwürfen, es sei mit den Bohrungen gestartet worden, ohne die Bevölkerung zu informieren?

Klawiter: Die Regierung hat keine große Kampagne gemacht, um die Leute im Vorfeld zu informieren, das stimmt. Es wurden Konzessionen vergeben, ohne viel zu informieren. Im Internet gibt es zwar einige Informationen, aber man kann es nicht Dialog nennen. Ich hoffe, das ändert sich bald. Ich gebe also zu, die Information war zu Beginn nicht genug.

Auf der anderen Seite muss man sagen, dass jede Stadt, jede Gemeinde ihre Entscheidungen veröffentlicht. Wenn Bewilligungen vergeben werden, steht das im Internet oder auf einer Anschlagtafel. Aber die Bevölkerung hat es nicht gelesen. Das ist einer der Gründe, warum sie sich nicht informiert fühlten.

Natürlich ist das noch lange nicht genug. Ich bin dafür, den Dialog zu verstärken. Wir versuchen auch Förderungen zu erhalten, um eine breite Dialog-Kampagne zu starten. Das ist ja alles nicht billig, wenn wir das überall auf lokaler Ebene machen wollen. Es braucht Struktur, Experten, aber wir arbeiten daran.

derStandard.at: Viele haben auch Angst, dass der Tourismus ins Stocken gerät. Was entgegnen Sie Betroffenen?

Klawiter: Bis jetzt gibt es dafür noch keinen Beweis. In der Umgebung von Dębki haben wir mehrere konventionelle Bohrbrunnen. Der Ort ist immer noch voll von Touristen. Es gibt keine Umweltschäden.

In den USA haben wir gesehen, dass eine Bohrstelle neben der anderen nicht attraktiv ist. Aber wenn wir nicht so viele davon machen, werden auch die Konsequenzen nicht groß sein. Man kann die Bohrplätze auch schön gestalten.

Natürlich gibt es Veränderungen, aber die Aufgabe der Politik wird es sein, die Schäden so klein wie möglich zu halten. Die Leute werden erleichtert sein, wenn Sie sehen, was wir erreichen können. Man kann die Auswirkungen reduzieren.

derStandard.at: Wie beobachten Sie die Entwicklungen in anderen Ländern der EU? In Österreich wurden die Schiefergas-Bohrungen unlängst gestoppt, auch Bulgarien hat davon Abstand genommen, genauso Frankreich.

Klawiter: Wie die Länder reagieren, hängt stark vom geopolitischen Umfeld ab. Wir sind immer noch abhängig von unserem Nachbarn im Osten. 70 Prozent des Gases werden importiert. Jedes Land ist einfach anders. Und die jeweilige Situation hat große Auswirkungen auf die Entscheidungen, die die Regierungen treffen. Litauen schaut sich jetzt auch um Schiefergas um, genauso Rumänien. Es gibt auch Bohrungen in Großbritannien.

In Frankreich oder Deutschland gibt es einen Mix verschiedener Technologien. In Polen ist das hingegen sehr schwierig. Zu 95 Prozent sind wir abhängig von Kohle. Die EU will von uns, dass wir direkt auf erneuerbare Energie umsteigen. Aber dafür haben wir die Mittel nicht. Erneuerbare Energie kostet zu viel. Natürlich investieren wir darin, aber wir haben keine Übergangs-Energiequelle, also keine Quelle, die uns erlauben würde direkt von Kohle auf erneuerbare Energie umzusteigen, ohne im selben Augenblick ökonomische Nachteile zu erhalten.

Es geht ja auch um den wirtschaftlichen Wettbewerb. Wenn die Preise zu hoch sind, geht die Wirtschaft den Bach hinunter. Wir müssen eine Transfer-Möglichkeit finden, um weniger Kohle zu verbrauchen. Schiefergas ist die Chance, es ist besser als Kohle.

derStandard.at: Die Grünen haben gemeinsam mit Bürgerinitiativen einen Brief an den Premierminister verfasst mit der Bitte, Abstand von weiteren Bohrungen zu nehmen. Was sagen Sie dazu?

Klawiter: Ich bin sehr froh über den Brief, er fasst die Sorgen der Bevölkerung sehr gut zusammen. Bis jetzt waren die Argumente immer sehr uneinheitlich, der Brief ist nun ein gutes Zeichen. Das ist in unserem Sinn, die Kommunikation muss besser werden. Wir wollen lokale Kommunikationsgruppen bilden, die Ergebnisse sollen dann direkt zu den Entscheidungsträgern übermittelt werden. Ich will, dass jeder Bewohner eingebunden wird. 

derStandard.at: Und wenn das Ergebnis des Prozesses ist, dass die Bürger sagen, sie wollen kein Fracking mehr haben, werden Sie es stoppen können?

Klawiter: Das hoffe ich. Wenn die Firmen die Konzessionen erhalten, Schiefergas abzubauen - bisher wurden nur Konzessionen für die Suche danach ausgegeben -, dann muss der Bürgermeister des jeweiligen Dorfes entscheiden, ob die Bewohner einer Gemeinde zustimmen oder nicht.

Wenn sie Nein sagen, dann heißt es auch Nein. Ich bin nicht der Meinung, dass die Schiefergas-Produktion überall stattfinden muss. Wenn es die Bürger ablehnen und sie niemand überzeugen kann, soll man sie in Ruhe lassen. Vielleicht werden sie irgendwann ihre Entscheidung ändern, vielleicht auch nicht. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 15.11.2012)